Ohne Titel von Hamid Zénati Eclectic Affinities – Hamid Zénati und die Sammlung des Museums Angewandte Kunst

Die Ausstellung "Eclectic Affinities – Hamid Zénati und die Sammlung des Museum Angewandte Kunst" ist für unsere Kritikerin eine echte Entdeckung eines spannenden Künstlers, der 2022 verstorben ist und der jetzt erst entdeckt und gezeigt wird. Hamid Zénati hatte einen enormen Schaffensdrang, hat vor allem auf Textilien gemalt, auf Vasen, Stühlen und anderen Objekten. Und wer hineintritt in diesen großen farbenprächtigen Reigen an tanzenden Formen und Mustern, auf Objekten und v.a. Stoffen, die auch quer durch den Raum gespannt sind, spürt sofort eine Lebendigkeit, einen großen Optimismus, Lebensbejahung: Man wird beschwingt.

Wer war Hamid Zénati? Und wofür steht sein Werk?

Hamid Zénati war eine sehr komplexe Persönlichkeit. Wenn ich es auf einen Begriff bringen müsste, würde ich sagen: Er war ein kosmopolitischer Intellektueller. Sehr belesen – aber, was die Kunst angeht, war er Autodidakt. Weil er – wie er selbst einmal gesagt hat – nicht malen konnte, hat er eine besondere Schablonentechnik entwickelt – die er sein Leben lang einsetzt, und die quasi sein Markenzeichen wird. Dafür hat Zénati jede Farbschicht einzeln gesetzt, mit extra Schablonen, die er aus Folien, Papier oder Klebeband ausgeschnitten hat, - und die Formen nacheinander mit dem Pinsel oder der Walze aufgetragen – Farbschicht für Farbschicht, Form für Form.

Das Ergebnis dieser Technik...?

sind sehr farbenfrohe Bilder, gemalt vor allem auf Stoffen; kleine wie große Formate. Oft abstrakte Muster, mal geometrisch, mal mit natürlichen Wellen und Schwüngen – mal bildführend und wuselig, mal mit wenigen Formen im Zentrum. Immer wieder entdeckt man einzelne Figuren, Gesichter, Seegelboote, oder dreibeinige Hunde, die seine Bildwelten bevölkern. Und grundsätzlich ergibt sich durch diese – sehr auf die Fläche, die Zweidimensionalität angelegte Technik der Schablonen – interessante Verzerrungen, räumliche Illusionen oder sogar teilweise Konstellationen, die an den Kubismus erinnern.

Warum ist Hamid Zénati so interessant für das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt, dass sie ihm eine große Ausstellung widmen?

Ich glaube, das liegt daran, dass Hamid Zénati in vielerlei Hinsicht ein Grenzgänger war…! Er hat, als Autodidakt, mit dem, was er gemalt hat, genau diese Fragestellungen, die das Museum Angewandte Kunst eben auch umtreibt, weil er diese Fragen - künstlerisch und praktisch - auf sehr fruchtbare Weise bearbeitet hat. An seinen Arbeiten kann man wunderbar diese Fragen neu verhandeln: Was ist angewandte Kunst heute? Und sind die bisherigen Abgrenzungen zur bildenden Kunst vielleicht in Teilen inzwischen obsolet geworden?

Außerdem war Hamid Zénati eben auch ein Grenzgänger, buchstäblich, weil er ein Leben zwischen den Kulturen geführt hat. In Algerien war er mit seiner Kunst und seiner exaltierten Persönlichkeit ein Exot – und in München, wohin er als Jugendlicher zog und ab da lebte, war er "der Algerier", dunkelhäutig, und damit ebenso ein Außenseiter. Vielleicht ist er auch darum sein Leben lang viel gereist. Gerne nach Indoniesen, nach Japan, …er hat sich inspirieren lassen, von allen möglichen Kulturen, von Musik und Literatur, von der Wüste und dem Meer, von der Postmoderne und dem Kubismus. All das findet sich in seiner Kunst wieder! Und das finde ich beeindruckend! – mit welcher Freiheit und Nonchalance er aus allem geschöpft hat, was ihn interessiert.

Wie zeigt sich das in der Ausstellung? Sie heißt ja „Eclectic Affinities. Hamid Zénati und die Sammlung des Museum Angewandte Kunst“. Da stellt sich auch die Frage: welche Rolle spielen dabei die Sammlungsobjekte des MAK?

Das Museum Angewandte Kunst ist mit seiner großen Sammlung und Vielfalt an Objekten aus verschiedensten Kulturen und Designepochen für so eine Schau prädestiniert. Die Kuratorinnen haben die Ausstellung in neun Themen, die Hamid Zénati in seinem Schaffen geprägt haben, gegliedert und die passenden Objekte aus der Sammlung des MAK herausgesucht. Sie stehen und hängen in jedem Raum, neben den Bildern und Objekten von Zénati. Die Bezüge und Inspirationen werden sehr augenscheinlich, wenn man es nebeneinander sieht. Und oft ist das so gelungen, dass die Arrangements tatsächlich ein Zwiegespräch eingehen. Besonders sinnfällig ist etwa die Verwandtschaft seiner Bilder mit islamischer Kunst, wenn man die ornamentalen Formen eines Bildes wieder findet in einem türkischen Gebets-Teppich. Hier geht es auch ein bisschen um die "Ehrenrettung des Dekorativen" – das in der westlichen Kultur ja eher abschätzig betrachtet wird. Ganz anders, - wie man hier sehen kann -, in anderen Kulturen – und bei Hamid Zénati. Und da wundert es dann auch wenig, dass auch die Postmoderne - mit ihrer intensiven Farbigkeit, mit dem entgrenzten "Alles ist erlaubt" - ein wichtiger Bezugspunkt für Hamid Zénati war. Er hat ja auch mehrere Designs von Uhren gemalt, Designs, die mit ihrer zackigen, bonbon-poppigen Formensprache tatsächlich an Swatch-Uhren aus den 90er Jahren erinnern. Und Zénati hätte wohl tatsächlich gerne mal eine Swatch-Uhr designt – und er wäre dafür herausragend geeignet gewesen!

Fazit:

Die Ausstellung bietet wirklich enorm viel: Eine Fülle von Objekten, da kann man sich auch schon mal erschlagen fühlen. Aber ich kann und möchte dazu unbedingt ermuntern; es ist so inspirierend und lebendig und macht eine fast detektivische Freude, in der ganzen Fülle auch das zu entdecken, was nicht augenscheinlich ist!

Eclectic Affinities – Hamid Zénati und die Sammlung des Museum Angewandte Kunst Frankfurt
bis 12. Januar 2025.

Sendung: hr2-kultur, 27.9.2024, 7:30 Uhr