Audio Überredung zum Mord
Shakespeares gut 400 Jahre alter "Macbeth" gewinnt in unseren Tagen an Aktualität, da ein Putin in Europa wütet. Das neue Leitungsteam am Staatstheater Darmstadt unter Schauspieldirektor Alexander Kohlmann und Regisseur Mizgîn Bilmen hat sich den Stoff wieder vorgenommen. Sie haben den Text stark gekürzt, aber auch bei ihnen ist Lady Macbeth die treibende Kraft, die den zaudernden Gatten zum Königsmord überredet. Das Bühnenbild von Sabine Mäder ist gelungen. Am Ende ist ein Tyrann tot, aber es bleibt die Frage, ob er nicht nur durch den nächsten Tyrannen ersetzt wird.
Endlich geht es wieder los mit Theater in Hessen: im Staatstheater Darmstadt ist im Schauspiel eine neue Mannschaft am Start, ein neuer Schauspieldirektor, Alexander Kohlmann, und mit ihm ein neues Leitungsteam für Bühnenbild und Regie, Sabine Mäder und Mizgin Bilmen. Dieses Trio hat sich als Auftakt Shakespeares Macbeth ausgesucht - die Geschichte vom Heeresführer Macbeth, der es durch Mord und Hinterlist zum König von Schottland schafft - und in einen Blutrausch verfällt, den er nicht mehr stoppen kann.
Die Geschichte ist oft erzählt worden - welche Spuren hat die Regisseurin Mizgin Bilmen da gelegt ?
Für sie ist Macbeth einer der eine Grenze überschritten hat, hinter die er nicht zurückkann. Der Mord an König Duncan ist ja ein Bruch mit dem, was man Zivilisation nennt - ein Krieger, der seinen König umbringt; einen Gast, der gutwillig und gutgläubig in seinem Haus übernachtet. Das ist also eine Tat, die unumgänglich ist. Macbeth hat einmal die menschliche Zivilisation verlassen, er bleibt von nun an draußen- das ist die Kernüberlegung dieser Inszenierung. Natürlich muss man da an den Krieg Putins gegen die Ukraine denken, natürlich auch an die Situation im Nahen Osten. Die Zeiten sind so, dass alte Geschichten wie die von Macbeth wieder einen ganz neuen Unterstrom entwickeln.
Was genau sehen die Zuschauer ?
Das Regieteam hat originelle Blicke auf das Stück entwickelt. Irritierend zum Teil, weil man das so noch nicht gesehen hat. Die Hexen zum Beispiel in der Darmstädter Inszenierung keine archaischen Gestalten, die um einen Hexenkassel herum tanzen - sondern drei ganz bieder wirkende Rentner von heute - zwei Frauen, ein Mann - im typischen beige grauen Durchschnittsoutfit mit obligatorischen Handtaschen - wie man sie heutzutage oft bei Besuchergruppen sieht. Als Zuschauer ist man da erstmal verwundert: Das sind keine Hexen, sondern ein grotesk wirkendes Trio, das auch die ganze Zeit auf der Bühne präsent ist, teilweise zum Chor wird, der das Geschehen kommentiert. Lady Macbeth , die ja einen großen Anteil daran hat, dass der Zauderer Macbeth den Mord an König Duncan auch tatsächlich begeht - Sie ist hier auch ein böser lustiger Kobold, die Schauspielerin Irina Wrona drückt da ganz schön auf die Tube, interagiert mit dem Publikum, so dass der ganze Raum mit ihr mitgeht. Der Schottenkönig Duncan ist eher eine Karikatur als eine Figur: er fällt immer wieder hin und versucht mit tiefer Krächsstimme Autorität herzustellen. Da sind also bei der Figurengestaltung manche Dinge anders, als man sie kennt und vielleicht erwartet.
Und Macbeth, der Hauptdarsteller ?
Er wird gespielt von Niklas Herzberg - das ist ein robust wirkender Mann, ein Machtstratege, der genau weiss, wer ihm gefährlich werden kann, ein Krieger, den das Leben in der Armee auf dem Schlachtfeld geprägt hat - aber so ganz nimmt man ihm die tiefen Abgründe von Macbeth nicht ab.
Wenn viele Figuren anders gezeigt werden, als man sie kennt - welche Bedeutung hat das für die Inszenierung ?
Die Irritation auf jeden Fall, es geht allerdings manchmal zu Lasten der Vielschichtigkeit der Figuren , vor allem bei Macbeth und Lady Macbeth,. Der ganze Abend dauert nur zwei Stunden ohne Pause - es wurde sehr viel gestrichen, dafür andere Texte dazu genommen. Manche der Rollen werden von den Hexen übernommen. Das macht es auch nicht immer leicht, den Überblick über die Figuren und den Handlungsverlauf zu behalten. Gespielt wird im Großen Haus, das Publikum sitzt aber hinter der Bühne: Das Bühnenbild ist wirklich imposant, ein riesiger Spiegel hängt über der Bühne: wir sehen also das , was auf der Bühne passiert noch einmal gespiegelt. Gruben öffnen und schließen sich. Also ein eher abstraktes Bühnenbild, Burgen, Verliese und Wälder sieht man hier nicht: Auch der Wald von Burnham, der sich am Schluss auf Macbeth zubewegt und seinen Untergang ankündigt - das ist hier kein Wald,oder künstliche Bäume - es sind die Rückenlehnen von den Stühlen im Zuschauerraum, die sich verselbständigen.
Figuren, die anders gezeigt werden, als die man sie kennt, ein imposantes Bühnenbild - wie lautet das Fazit zu diesem Theater Auftakt in Darmstadt ?
Mir hat wirklich gut gefallen, dass das Regieteam um Mizgin Bilmen ganz andere Wege gegangen ist: Mutig, originell und auf eine produktive Art irritierend. Wir haben eine sehr eigenwillige Fassung von Macbeth zu sehen bekommen - und das ist ein großartiges Signal für das Darmstädter Schauspiel. Da kann man sich auf auch auf weitere interessante Produktionen freuen. Das Publikum gestern Abend in Darmstadt hat das neue Team auch begeistert begrüßt.
Als Motto steht ja über dieser Spielzeit in Darmstadt die Frage "Worauf hoffen" - und da passt Macbeth sehr gut hinein, auch wenn die Rettung des Schottenstaates wieder Fragen aufwirft: Ist es wirklich die Rettung, wenn der eine Tyrann besiegt ist und ein neuer Herrscher die Macht übernimmt ? Auch der hat schließlich Blut an den Händen...
Aufführungstermine auf www.staatstheater-darmstadt.de
Sendung: hr2-kultur, "Am Morgen", 02.09.2024, 7:35 Uhr