"Rembrandts Amsterdam" im Städel: Berchem, Allegorie

Die große Winterausstellung in Frankfurts wichtigstem Museum bildener Künste entführt uns ins 17. Jahrhundert: "Rembrandts Amsterdam": Eine Ausstellung über eine Stadt, eine Stadtgesellschaft, die für etwa 100 Jahre die vielleicht reichste Stadt Europas war und mit großem Selbstbewusstsein sich selbst und ihre Bürgerschaft feierte. Man sieht Malerei und Druckgrafik auf höchstem Niveau. Das Thema ist komplex, aber gut präsentiert und klug aufbereitet. Die Bilder werden wie Stars im Theater in Szene gesetzt, Licht, Wandfarbe, alles dient der Steigerung der Malerei. Das Goldene Zeitalter war in Bezug auf die Malerei wirklich golden und Amsterdam liegt gerade am Main!

Was sehen wir genau?

Diese Ausstellung des Städelmuseums zeigt in erster Linie Portraits, vielfach Gruppenportraits der Bewohner Amsterdams, und das sind die tonangebenden Patrizier, aber auch Ärzte, Händler, Angehörige der Schützenverbände, Mitglieder der Handwerksgilden und Vorstände sozialer Einrichtungen. Es finden sich aber auch Darstellungen, teilweise auch Portraits von Dienstboten, Gastwirtinnen, Bettlern, Huren und Hingerichteten. Darunter ist eine beachtliche Zahl von Bildern von Rembrandt, aber auch von vielen anderen Malern, die zwischen 1560 und 1660 tätig waren. Insgesamt rund 100 Gemälde, Skulpturen und Druckgrafiken sowie kulturhistorische Gebrauchsgegenstände vor allem aus dem Amsterdam Museum sowie dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Metropolitan Museum in New York und einigen anderen Häusern.

Was ist der erste Eindruck, wenn man in die Ausstellung kommt? Wird man von großen Formaten erschlagen?

Die Ausstellung ist sehr klug gehängt. Es wird ja viel historischer Stoff behandelt, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die Verschiebung der großen Mächte auf dem europäischen Kontinent, die sich in Amsterdam wie unter einem Brennglas bündeln. Im ersten Raum sieht man zunächst die Stadt in Karten und historischen Stichen, die Börse und das Rathaus, da hängen Stadtpläne und eine Ansicht aus der Vogelperspektive von 1534.

So ein bisschen, als würde man sich auf eine Reise vorbereiten?

Ja, ich fühlte mich tatsächlich wie auf einer Reise in eine andere Zeit. Im zweiten Raum begegnet man dann den Menschen, man sieht die Bürgerwehren, die die Stadt gegen die Spanier verteidigt haben. Da wird an einem solchen Sujet deutlich, wie sich die Malerei verändert. Die ersten Gruppenbilder zeigen diese freiwilligen Schützen aufgereiht nebeneinander, sie schauen streng und kampfbereit. Auf den spätesten, vom Ende des 17. Jahrhundert sieht man dann Trinkgesellschaften im Wirtshaus, die es sich gutgehen lassen. Und auf einem hat man nicht nur vier wohlhabende und gut gekleidete Herren in prächtigen Stulpenstiefeln, sondern sieht auch im Hintergrund die Gastwirtin, die historisch zu identifizieren ist. Geertruyd Nachtglas. Und zu dieser findet man einen biographischen Abriss neben dem Bild an der Wand. Man wird als Betrachter gut mitgenommen und findet sich auch ohne Führung gut zurecht.

Das hört sich so an, als würde die Ausstellung historische Tiefenbohrungen vornehmen...

Ja, die Bilder führen tief in die Geschichte hinein und durch ausführliche Wandtexte wird diese anschaulich und persönlich. Der Ausstellungstitel „Rembrandts Amsterdam – Goldene Zeiten?“ weißt darauf hin, dass die wirtschaftliche und kulturelle Blüte der Rembrandt-Zeit auch auf einer aggressiven Handelspolitik der Vereinigten Niederlande beruhte. Sie profitierten von Kolonien in Asien und Südamerika sowie von der Versklavung und Ausbeutung von Menschen. Umgekehrt hatten Kriege, Armut, religiöse und politische Verfolgung in Europa für eine stetig wachsende Migration in die Niederländische Republik gesorgt, insbesondere nach Amsterdam. Es gab einen starken Arbeitsmarkt und einzigartige religiöse Toleranz. Viele hofften auf ein besseres und freieres Leben, was aber nicht allen Menschen vergönnt war. Die Ausstellungsmacher haben versucht, die Gesellschaft der Zeit möglichst breit abzubilden, z.B. mit den Radierungen Rembrandts, die Bettler zeigen, und mit großen Kapiteln zu Waisenhäusern und Zuchthäusern.

Das Städelmuseum zeigt ja immer wieder Ausstellungen zu Rembrandt und seinen Zeitgenossen, wie kommt es dazu?

In diesem Fall an der Gelegenheit, dass das Amsterdam-Museum wegen Sanierung geschlossen werden musste und deshalb seine Sammlung verliehen hat. Dadurch sind Bilder auf Reisen gegangen, die unter normalen Umständen das Haus nicht verlassen. Die ersten Gespräche zu diesen großzügigen Leihgaben haben bereits vor 7 Jahren stattgefunden und seit dieser Zeit wird die Ausstellung vorbereitet und dazu recherchiert. Der Rest sind gute Kontakte.

Das Fazit ist Begeisterung?

Das Städel ist eine Klasse für sich. Schon bei der Pressekonferenz gestern war das so. Da waren an die hundert Leute im Raum, es hat gesummt wie in einem Bienenstock, die Stimmung war neugierig, aufgeregt, gespannt. Die Bilder sind großartig, reichhaltig, vielfältig. Man sieht Malerei und Druckgrafik auf höchstem Niveau. Das Thema ist wahnsinnig komplex, aber gut präsentiert und klug aufbereitet. Die Bilder werden wie Stars im Theater in Szene gesetzt, Licht, Wandfarbe, alles dient der Steigerung der Malerei. Mein Fazit – das Goldene Zeitalter war in Bezug auf die Malerei wirklich golden und Amsterdam liegt gerade am Main!

Sendung: hr2-kultur, 27.11.2024, 7:30 Uhr