Audio "Die Demokratie ist unvollendet wie Bachs 'Kunst der Fuge', arbeiten wir konzentriert an ihr!"
Der Kasseler Bürgerpreis "Das Glas der Vernunft" geht dieses Jahr an Carolin Emcke. Die Reporterin wird für Ihren Einsatz in Krisengebieten und ihr Engagement für Verständigung ausgezeichnet. Der Mitschnitt der Verleihung ist ein Dokument eben dieses vernünftigen Denkens.
"Carolin Emcke hat in ihrem gesamten Werk, in den Büchern, Essays und Reportagen sich den Fragen von Gewalt und Entrechtung zugewandt. Sie sucht nach einer Sprache, die Hass und Gewalt etwas entgegensetzen kann, die Raum für Verständigung und Anerkennung öffnet", sagt Wilfried Sommer, Vorsitzender des Vorstandes der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Preises. Ihre Texte seien voller analytischer Kraft und besonnen zugleich. Sie appelliere an jede Einzelne und jeden Einzelnen, Empathie und Vernunft zu verbinden. Vorstand und Kuratorium würdigen, dass Carolin Emcke eine universalistische Empathie als ethische Praxis übt. Carolin Emcke war von 1998 bis 2014 als Reporterin in Krisengebieten unterwegs.
Für die promovierte Philosophin ist Zeugenschaft von Krieg und Gewalt nie nur bloße Wahrheitsfindung, sondern immer auch verbunden mit dem Versuch, den Opfern von Gewalt ein Gegenüber zu sein, das sie wieder als Menschen anerkennt. 2016 wurde sie für ihr Werk mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Sie erhielt zahlreiche weitere Preise. Emcke ist seit 2014 als freie Publizistin tätig, u.a. als Kolumnistin der "Süddeutschen Zeitung". Mitte Januar dieses Jahres formulierte sie dort, dass es an der Zeit sei, eine zentrale Frage zu stellen: "Wer wollen wir sein? Wollen wir zu denen gehören, die einen Beitrag dazu leisten, dass wir als Gesellschaft lernen, dass wir uns entwickeln und dadurch bestehen? Oder wollen wir zu denen gehören, die blockieren und beschädigen?" (Begründung der Jury)
Die Findungskommission des Preises habe sehr bewegt, in welchem Maße unsere demokratische Gesellschaft derzeit auf dem Spiel stehe, so Sommer. Carolin Emcke plädiere für eine Gesellschaft, in der wir uns nicht ähnlich sein müssen, in der wir verschieden sein dürfen, ohne uns die Menschlichkeit abzusprechen. Respekt sei immer zumutbar; es gelte, den Austausch mit anderen in gegenseitiger Achtung zu bestehen. Das sei eine entscheidende Grundlage der Demokratie. Carolin Emcke weise aber auch aus, wie es uns gelingen kann, Hass und Gewalt als Unrecht aufzudecken und Strukturen zu erkennen, die Menschenverachtung schüren.
Vorstand und Kuratorium des Preises ehren Carolin Emcke dafür, wie sie mit analytischer Klarheit das Rückgrat der Demokratie stärkt und als Künstlerin des Innehaltens der Empathie ihren Raum gibt. Sie zeige, wie die Ideale der Aufklärung in Zeiten multipler Krisen tragfähig blieben."
Sendung: hr2-kultur, 13.10.24, 12:05 Uhr