Ingmar Bergman gehört zu dem Kino wie der Kinematograph oder die Leinwand – um ihn kommt man nicht herum. Bergman, geboren 1918, ist schnell mit seinen Filmen wie Das Siebente Siegel oder Wilde Erdbeeren – und nebenbei mit seinem Theater – zu einer schwedischen Berühmtheit geworden. Als er bereits alles erreicht hat, was von ihm erwartet wird, bricht er zusammen und erfindet sich neu. Bei einem Location-Scouting entdeckt er die kleine und abgeschiedene Insel Fårö nördlich von Gotland, und verliebt sich in sie "auf den ersten Blick", wie er später sagen wird. Er fängt neu an und verbringt von nun an große Teile seines restlichen langen Lebens dort, bringt die Filme hervor, die ihn unsterblich machen werden, Persona, Szenen einer Ehe oder Herbstsonate, und stirbt im Jahr 2007, begraben auf dem Friedhof der kleinen Kapelle, an einem Randstück seiner Wahl.

Bergman war kein Fåröer, aber er wurde einer. Er machte zwei Dokumentationen über die Insel: Einmal im Jahr 1969, Fårö Dokument, und zehn Jahre darauf, eine weitere mit demselben Titel. Es sind Portraits der Insel und der Menschen, die sie bewohnen, unprätentiös, dokumentarisch-deskriptiv und voller Wohlwollen für seinen Gegenstand: Menschen, die gemeinschaftlich Dächer decken, Tiere schlachten oder nachts nach getaner Arbeit Gedichte schreiben. Und auch von den Touristen erzählen die Filme, die im Sommer wie eine Welle über die Insel fluten und sich mit den kürzer werdenden Tagen wieder aufs Festland zurückziehen.

Nach Bergmans Tod hat dieser Tourismus ein neues Gesicht: Im Sommer, während der Bergman-Woche, wollen Jahr für Jahr alle den "wahren Bergman" entdecken. Es gibt Film-Screenings in dem Kino, das er einst für sich selbst gebaut hatte und wo er seine Filme an jedem Abend schaute, seine Anwesen, die Orte, wo er seine Filme gedreht hatte – hier wurde diese Szene gedreht, dieser Baum kommt schon in Persona vor, die Mauer hier ist noch dieselbe Mauer wie die in dieser Szene … Alle suchen Spuren von Bergman, wie Bergman gelebt hat, wo, und mit wem. Ein sonderbarer Kulturtourismus, wie er für viele großen Künstler und Künstlerinnen das Nachleben bestimmt, in unserer Zeit aber zugleich irgendwie unpassend und unkritisch erscheint. Zudem an einem so abgeschiedenen Ort wie Fårö, der eigentlich nicht erreicht werden will. Was sind das für Menschen, die dort angespült werden? Und vor allem: Was erzählen die Bewohner Fårös selbst, über die Insel, über Bergman und die Filme, die eine ganze Regie-Generation prägten?

hr, WDR 2024

Sendung: hr2-kultur, "Feature", 17.11.2024, 18:04 Uhr.