Der Anfang Eine Geburt für die "Sache des Jazz"

Das ist absoluter Rundenrekord: weit über ein halbes Jahrhundert! Solch ein stolzes Alter erreichen Jazz-Bands in der freien Wildbahn in der Regel nicht.

hr-Jazzensemble 1958 mit Albert Mangelsdorff
hr-Jazzensemble 1958 mit Rudi Sehring, Albert Mangelsdorff (Leiter), Joki Freund, Peter Trunk, Pepsi Auer, Freddy Christmann und Emil Mangelsdorff (von links). Bild © picture-alliance/dpa

Das hr-Jazzensemble, eine Formation freischaffender Musiker unter dem Dach des hr, ist aber nicht nur alt, sondern auch kreativ – und vielleicht auch genau deshalb so alt geworden. Manches in den ersten zehn Jahren der Existenz des hr-Jazzensembles verschwimmt schon im Nebel der Geschichte.

Die Geburtsstunde des Ensembles selbst allerdings ist im Originalton dokumentiert – in all ihren Nuancen. Der Hessische Rundfunk hatte sein Engagement für das Deutsche Jazzfestival Frankfurt, das älteste Jazzfestival der Welt, gerade noch einmal verstärkt – u.a. durch die Vergabe eines Kompositionsauftrages. Zur Eröffnung des 6. Deutschen Jazzfestivals Frankfurt 1958 sprach deshalb Eberhard Beckmann, der damalige Intendant des Hessischen Rundfunks.

Folgenreiche und langlebige Entwicklung

Dabei erklärte Beckmann die "German All-Stars" um Albert Mangelsdorf zum "Jazzensemble des Hessischen Rundfunks", einer frei assoziierten Formation von renommierten Musikern aus dem Frankfurter Raum, die fortan unter dem neuen Namen für das Programm des Hessischen Rundfunks arbeiten sollte. Vermutlich ahnte keiner der Beteiligten die folgenreiche und langlebige Entwicklung, die sich aus dieser Grundsteinlegung für die Jazzszene in Frankfurt, Hessen und Deutschland ergeben sollte.

In der Rückschau auf das Geschehen vor einem halben Jahrhundert mag man über den Gestus der damaligen Protagonisten für die "Sache des Jazz" (und dazu kann man durchaus auch den Intendanten zählen) schmunzeln – das macht die Sache vergnüglich – eines indes geht aus den Tondokumenten deutlich hervor: Die Leute waren beherzt bei der Sache, sie wollten etwas, sie waren Überzeugungstäter, es herrschte kulturelle Aufbruchstimmung.

Bewegte Bilder aus der Frühphase

Nicht nur bewegende, sondern auch bewegte Bilder dokumentieren einige Stationen der Geschichte vom hr-Jazzensemble. Das Video zeigt einen Ausschnitt aus: “Jazz in Frankfurt“ – Ein Filmbericht des Hessischen Rundfunks“ von Emil G. Walter aus dem Jahre 1961, in dem das “Jazzensemble des Hessischen Rundfunks“ unter der Leitung von Albert Mangelsdorff Anfang der 60er-Jahre im Hörfunk-Aufnahmestudio produziert.

Der Gitarrist Attila Zoller ist zu Gast. Das Jazzensemble spielt dessen Komposition “Chickless“, arrangiert von Joki Freund. Freund spielt Tenor-, Emil Mangelsdorff Alt-, Günter Kronberg Bariton-Saxophon. Al King ist der Bassist, am Schlagzeug Hartwig Bartz, der viele Jahre der Drummer beim Jazzensemble war (nach einem Zwischenspiel vom Schweden Rune Carlson folgte dann in den Sechzigern Ralf-R. Hübner). Das Jazzensemble spielte Anfang der Sechziger für einige Zeit ohne Piano. Albert Mangelsdorff an der Posaune leitet die Produktion – hier in jugendlicher Frische und mit entschlossener Miene.

Honorige Würdenträger treffen auf junge Musiker

Erstaunlicherweise eröffnen sich dem Eingeweihten nicht wenige Ähnlichkeiten zwischen der Produktion damals und denen von heute. Sicher, Albert Mangelsdorff ist leider nicht mehr da, die Kompositionen sind in der Zwischenzeit sehr viel ausgefallener und auch komplizierter geworden, man experimentiert mit Elektronik, die “post production“ nach der eigentlichen Aufnahme spielt heute eine viel gewichtigere Rolle als damals. Aber im Studio selbst: Es wird heute mehr gelacht (auch wenn es nicht immer Anlass dafür gibt) – jedenfalls im Vergleich zu diesem Filmausschnitt. Die Akteure sind mittlerweile honorige Würdenträger, junge Musiker sind zwischenzeitlich hinzugekommen, dennoch findet man ungeahnte Kontinuitäten.

Quelle: hr2-kultur

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