Im ersten Abonnementkonzert der Saison in der Alten Oper präsentiert das Ensemble Modern drei erfrischend unterschiedliche musikalische Ansätze mit ebenso divergenten spannenden Ergebnissen.

Jagdish Mistry, Violine
Ensemble Modern
Leitung: Vimbayi Kaziboni

Mirela Ivičević: Leviathan (2022) (Deutsche Erstaufführung)
Jeffrey Mumford: through a stillness brightening for violin and ensemble (2011) (Deutsche Erstaufführung)
Georg Friedrich Haas: ... weiter und weiter und weiter ... (2021)

(Aufnahme vom 17. November 2024 aus dem Mozart-Saal)

Der Begriff "Leviathan" könnte sowohl auf das apokalyptische Seeungeheuer wie auf die Symbolfigur staatlicher Allmacht verweisen. Bei der kroatischen Komponisten Mirela Ivičević ist es aber nach eigenem Bekunden mehr noch die Suche nach der "männlichen Energie" in ihr selbst. Mit all ihren positiven wie negativen Aspekten: aufgeregt pulsierend mit scharfen Akzenten zu Beginn, schwer atmend und erschöpft in der Mitte und mit wild orgiastischen, instrumentalen Schreien am Ende.

Der Amerikaner Jeffrey Mumford wäre beinahe auch oder nur Maler geworden, und vieles in seinem Werk zeigt deutliche Einflüsse bildhafter Vorstellungen. Und so ist seine Darstellung der "immer heller werdenden Stille" trotz der inneren Bewegtheit - vor allem in der von Jagdish Mistry souverän gespielten Solo-Violine - in erster Linie ein statisch gedachtes Stück: ein "Lichtstrahl, der durch den Wald fällt", ein impressionistisches Leuchtbild.

Georg Friedrich Haas‘ "...weiter und weiter und weiter..." hingegen versteht sich als ein großangelegtes 45-minütiges Accelerando. Der vom Spektralismus herkommende Komponist arbeitet ausgiebig mit mikrotonalen Klängen - unter anderem mit zwei Vierteltonklavieren und einem Vierteltonakkordeon - was immer wieder zu frappierenden Höreindrücken führt. Dass das in immer neuen Anläufen sich beschleunigend abarbeitende Werk - dirigentisch übrigens sehr anspruchsvoll und hervorragend gemeistert von Vimbayi Kaziboni - eigentlich dabei genau das Gegenteil seines Titels anvisiert, zeigt sich am Ende: wenn das Ensemble - natürlich mit schmunzelnder Anspielung auf Haydns Abschiedssinfonie - nach und nach die Bühne verlässt.

Sendung: hr2-kultur, "Konzertsaal", 12.01.2025, 20:03 Uhr.