Die Ergebnisse der 3 Förderprojekte Text trifft Bild - Ein Kreativprojekt im Literaturland Hessen
Wir haben Macher*innen für einen Kalender gesucht und zahlreiche interessante Einreichungen bekommen. Drei Projekte wurden per Juryentscheid ausgewählt. Nach der Projektphase von über einem halben Jahr sind nun die Ergebnisse da.
Die einen schreiben gern, die anderen fotografieren lieber. Wir fragten, was passiert, wenn sich kreative Köpfe zusammentun. Denn wir wollen beides – und zwar zusammen auf einem Bogen Papier. Im Zusammenspiel von Text und Foto mit Hessenbezug sollen kreative Kalenderblätter entstehen und in unserem Wandkalender 2024 erscheinen.
Viele Kreative haben sich gemeldet und ihre Projektideen eingereicht. Danach hat unsere Jury alle Bewerbungen gesichtet und Ende Januar die drei spannendsten Konzepte ausgewählt. Für ihre Umsetzung sind sie mit je 3.000 Euro gefördert worden. Jetzt sind die Ergebnisse der Projekte da.
Das sind die drei Projekte und ihre Text-Bild-Kreationen:
Kaum etwas könnte mehr nach Hessen riechen und schmecken als Grie Soß. Es gibt Grüne-Soße-Festspiele, eine Königin der Grie Soß, ein Grüne-Soße-Denkmal, die Grie Soß als geschützte Marke und Oma Hildes Rezept ihrer Mutter. Grie Soß ist das hessische Kulturgut. Das Reportageteam Torben Becker und Jana Margarete Schuler erzählen ihre Geschichte im Superkurzformat. Textlich und fotografisch begleiten sie die Menschen, die Grie Soß zu dem machen, was sie ist:
An den Bahngleisen
... im Süden von Frankfurt liegt das Reich der Grüne Soße Königin. Sie herrscht über ein altes Kulturgut, das seit rund 200 Jahren in den Kräutergärten von Oberrad wächst. In den Beeten sprießen Pimpinelle, Kerbel, Schnittlauch, Petersilie, Kresse, Borretsch und Sauerampfer. Sie werden zu einer Soße püriert, gehäckselt oder zerhackt. Schon Goethes Mutter habe sie zubereitet, heißt es. Zur Königin wurde Angela Jung gekrönt, eine Gärtnerin aus Oberrad. Mit Diadem im Haar schüttelt sie im Namen der Grünen Soße die Hände von Ministerpräsidenten und Bürgermeistern, mit Erde unter den Fingernägeln erntet sie Schnittlauch auf ihren Feldern.
Wie riecht Erinnerung?
... Vielleicht nach dem Duft gehackter Petersilie und Schnittlauch. Angelika Hirsch-Flügel wohnt in einem beigefarbenen Reihenhaus in Oberrad — einem dörflichen Stadtteil im Süden von Frankfurt. Hier wuchs sie auf, spielte zwischen den Kräutergarten, besorgte bei den Gärtnern einen Bund Grüne Soße für die Mutter, die die Kräuter durch den Fleischwolf drehte und mit saurer Sahne abschmeckte. Heute wachsen in Angelikas schmalem Garten im Schatten des Feigenbaums Pimpinelle, Sauerampfer und Borretsch. Sie kniet barfuß in einem Beet. „Im Sommer haben die Kräuter einen herberen Geschmack“, sagt sie und kaut auf einem Pimpinellenblatt. Im Frühling seien die Stiele weicher, die Blätter zarter, der Geschmack wie früher.
Ein alter Duft
... strömt aus der Küche. Christa und Erich Britz erinnert er an ihre erste gemeinsame Wohnung, als sie vor 50 Jahren bei den Stadtwerken im Schichtdienst arbeiteten. Jeden Karfreitag kochten sie damals gemeinsam Grüne Soße, mit Kartoffeln und Schnitzel. Noch heute ist es das selbe Rezept: Christa wäscht die sieben Kräuter, tupft sie mit einem Geschirrtuch ab, Erich drückt sie behutsam mit einem Pflock in den Trichter des Fleischwolfs und als „Geheimtipp“, sagt er, hart gekochte Eier hinterher. Das grüne Mus verrührt Christa mit Crème fraîche, Salz, Pfeffer und Senf, in der Pfanne brutzeln Schweineschnitzel. Erich legt seine Hand auf Christas Schulter und wie früher zwinkern sie sich zu.
Rainer Schecker stapft
... über die aufgeplatzte Erde seiner Felder, es ist trocken in Oberrad. „Grobscholliger Boden“, sagt er. In den Ackerfurchen hat er Borretsch gepflanzt. Kurzer Stiel, feste Blätter und bitterer Geschmack. „Ich mag das Raue daran, das passt zu mir.“ Schecker ist wohl der bekannteste Kräutergärtner der Stadt. Vor acht Jahren war er in Brüssel bei der Europäischen Kommission, um die Grüne Soße als geschützte Marke eintragen zu lassen. „Das ist ein traditionelles Gut“, sagt er. Seitdem darf man sie nur „Frankfurter Grüne Soße“ nennen, wenn alle sieben Kräuter aus Frankfurt kommen, ansonsten nur „Grüne Soße“. Auf der Heckscheibe seines Jeeps klebt ein Sticker: I Herz Grie Soß.
Im Sommer
... kann man zwischen den Frankfurter Wolkenkratzern etwas finden, das manche für die Seele Hessens halten. Es ist grün, dickflüssig und wird serviert in sieben Gläschen, dazu eine Schale mit Simonetta-Kartoffeln. „Grüne Soßen gibt es so viele wie Menschen in Frankfurt, jeder macht sie anders“, sagt Torsten Müller. Mit Maja Wolff gründete er vor fünfzehn Jahren das Grüne Soße Festival. Jedes Jahr suchen sie die beste Grüne Soße Frankfurts, 40 Gastronomen stellen ihr Kreationen zur Wahl, die Gäste stimmen geheim ab. „Noch einen Äppelwoi“, rufen sie den Kellnern zu. An den Bierbänken schmatzen sie und schwenken die Soßen im Mund, nicken sich zu: „Ahh, die hier ist gut.“
In Frankfurt wohnt
... ein unbekannter Meister. Er trägt ein weißes Hemd und eine schwarze Schürze — die Uniform des Küchenarbeiters. Der hektische Gastronomiebetrieb scheint Theophile Oussouboure nichts anzuhaben. 100 Portionen Grüne Soße stehen auf dem Speiseplan in der Gerbermühle. Oussouboure setzt den metallenen Trichter auf eine Häckselmaschine. In ihrem Innern zerkleinern Drehscheiben, Siebe und Messer die Kräuter. Seit 20 Jahren, als er von Burkina Faso nach Deutschland zog, schöpft er das grüne Mus aus der Maschine, gibt Salz und Essig hinzu. Kerbel verleihe der Soße den Pfiff, der Anisnote wegen, meint er. „Es ist ein schönes Kraut, das mich an eines aus meiner Kindheit erinnert.“ Schon zwei Mal gewann seine Grüne Soße das Grüne Soße Festival.
Rausgestellt befasst sich mit auf den Straßen abgestellten Gegenständen, die – aus ihrem Alltags-Zusammenhang gerissen – plötzlich Fantasien und Assoziationen wecken. Dinge, an denen man sonst achtlos vorbeigeht, werden durch ein Foto von Renate Schlicht in den Mittelpunkt gerückt und erhalten durch Doris Lerches Verse eine neue Bedeutung:
Schritt für Schritt
Keine Sieben-Meilen-Stiefel.
Aber vielleicht
passende Schuhe
für einen,
der Schritt für Schritt
gehen möchte.
Ohne Ehrgeiz.
Ohne Eile.
Schritt für Schritt
zur Post.
Zum Supermarkt.
Zu seiner Geliebten,
die ihn nicht will.
Aber vielleicht
will sie ihn doch.
Irgendwann.
Schritt für Schritt
Im Niemandsland
Komm
setz dich
auf unseren
weichen Sessel
im Niemandsland.
Hebe den Kopf.
Strecke die Beine aus.
Hier bist du sicher.
Keiner bekriegt dich.
Keiner bedrängt dich.
Keiner beschimpft dich.
Hier kannst du sein
wer du bist.
Ein Häschen.
Ein Wildschwein.
Eine Turteltaube.
Wer bist du?
Schwein gehabt
Auf rosigen Füßchen
geschmückt
mit Kringeln
und Flecken
und Punkten
versperrt mir
ein Glücksschwein
den rauen Weg.
Ich tauge zu nichts
sagt es.
Nur zur Freude.
Das ist doch nicht wenig
sage ich.
Obdachlos
Die Flügel
weit auseinander geklappt
so lade ich ein
mich zu betrachten
mit all meinem Rost
dem verblichenen Blau,
mit all meinen leeren Fächern.
Hochgeschätzt war ich
in längst vergangener Zeit.
Nun lebe ich
auf der Straße
bei Sonne und Regen
wie ein Bettler
und kann nichts mehr bieten
als Rost und verblichenes Blau
für ein Foto.
Im Wind
Nicht zum Abfall geworfen,
sondern in den Wind gehängt
wie verlorene Kostbarkeiten,
aufbewahrt für den Finder.
Vielleicht kommt ja eine,
die etwas Zartes braucht.
Oder etwas Robustes.
Etwas Schmückendes.
Oder Nützliches.
Vielleicht wird den Dingen
noch eine sinnvolle Zeit geschenkt
bevor auch sie
in der Mülltonne enden.
So wie alles.
Altgedient
Alleinstehende Kaffeekanne
leicht eingeschränkt
da ohne Deckel
aber zart gepunktet
und mit Anhang von vier Tellern
sucht neues Aufgabengebiet.
Kooperation mit weiteren
Vertretern der Branche
erwünscht.
Der Vogelsberg im Herzen von Hessen ist das größte Vulkangebiet auf dem europäischen Festland. Aber wo findet man den Vulkan? Auf der Spurensuche nach dem schlafenden Riesen trifft Maria Remo auf außergewöhnliche Orte, wundersame Begebenheiten, geheimnisvolle Sagengestalten und Fenster zur Erdgeschichte. Zu den Eindrücken der vulkanischen Landschaft stellt sie das Haiku, das sich direkt mit der äußeren Welt beschäftigt, erdnah und unprätentiös:
AUS TRÄNEN WIRD STEIN
ALT WIE DER ANFANG DER WELT
STURM IN DEN HIMMEL
DER SPRUNG VOM FELSEN
IN DER QUELLE KÜHLES NASS
DANN WIEDER STILLE
WILDE FRAU VOM STEIN
KÄMMT AM TEICH IHR WIRRES HAAR
DIE WURZELN GEKAPPT
WER SUCHT DAS WEITE
EIN TRUGBILD AM HORIZONT
HEUTE FÄLLT KEIN SCHUSS
SOMMER IM REGEN
LANGE SCHON NICHTS MEHR PASSIERT
JETZT EINE INSEL
EIN DENKMAL SETZEN
FÜR DEN LETZTEN SEINER ART
STANDHAFT GEOPFERT
BÄUME WIE SCHATTEN
BEWEGUNGSLOSE KURVEN
IM RING DES FEUERS
WORAUF NOCH WARTEN
FÄHRT EIN BUS NACH NIRGENDWO
ENDSTATION SEHNSUCHT
FEUER ZU ERDE
URKRAFT DER VERÄNDERUNG
LANDSCHAFT IN ASCHE
VORSICHT VOR AUSBRUCH
NIEMALS KANN NIEMAND SAGEN
EXPLOSIVE ZEIT
GRIE SOß
(Texte von Torben Becker und Fotos von Jana Margarete Schuler)
Kaum etwas könnte mehr nach Hessen riechen und schmecken als Grie Soß. Es gibt Grüne-Soße-Festspiele, eine Königin der Grie Soß, ein Grüne-Soße-Denkmal, die Grie Soß als geschützte Marke und Oma Hildes Rezept ihrer Mutter. Grie Soß ist das hessische Kulturgut. Das Reportageteam Torben Becker und Jana Margarete Schuler erzählen ihre Geschichte im Superkurzformat. Textlich und fotografisch begleiten sie die Menschen, die Grie Soß zu dem machen, was sie ist:
An den Bahngleisen
... im Süden von Frankfurt liegt das Reich der Grüne Soße Königin. Sie herrscht über ein altes Kulturgut, das seit rund 200 Jahren in den Kräutergärten von Oberrad wächst. In den Beeten sprießen Pimpinelle, Kerbel, Schnittlauch, Petersilie, Kresse, Borretsch und Sauerampfer. Sie werden zu einer Soße püriert, gehäckselt oder zerhackt. Schon Goethes Mutter habe sie zubereitet, heißt es. Zur Königin wurde Angela Jung gekrönt, eine Gärtnerin aus Oberrad. Mit Diadem im Haar schüttelt sie im Namen der Grünen Soße die Hände von Ministerpräsidenten und Bürgermeistern, mit Erde unter den Fingernägeln erntet sie Schnittlauch auf ihren Feldern.
Wie riecht Erinnerung?
... Vielleicht nach dem Duft gehackter Petersilie und Schnittlauch. Angelika Hirsch-Flügel wohnt in einem beigefarbenen Reihenhaus in Oberrad — einem dörflichen Stadtteil im Süden von Frankfurt. Hier wuchs sie auf, spielte zwischen den Kräutergarten, besorgte bei den Gärtnern einen Bund Grüne Soße für die Mutter, die die Kräuter durch den Fleischwolf drehte und mit saurer Sahne abschmeckte. Heute wachsen in Angelikas schmalem Garten im Schatten des Feigenbaums Pimpinelle, Sauerampfer und Borretsch. Sie kniet barfuß in einem Beet. „Im Sommer haben die Kräuter einen herberen Geschmack“, sagt sie und kaut auf einem Pimpinellenblatt. Im Frühling seien die Stiele weicher, die Blätter zarter, der Geschmack wie früher.
Ein alter Duft
... strömt aus der Küche. Christa und Erich Britz erinnert er an ihre erste gemeinsame Wohnung, als sie vor 50 Jahren bei den Stadtwerken im Schichtdienst arbeiteten. Jeden Karfreitag kochten sie damals gemeinsam Grüne Soße, mit Kartoffeln und Schnitzel. Noch heute ist es das selbe Rezept: Christa wäscht die sieben Kräuter, tupft sie mit einem Geschirrtuch ab, Erich drückt sie behutsam mit einem Pflock in den Trichter des Fleischwolfs und als „Geheimtipp“, sagt er, hart gekochte Eier hinterher. Das grüne Mus verrührt Christa mit Crème fraîche, Salz, Pfeffer und Senf, in der Pfanne brutzeln Schweineschnitzel. Erich legt seine Hand auf Christas Schulter und wie früher zwinkern sie sich zu.
Rainer Schecker stapft
... über die aufgeplatzte Erde seiner Felder, es ist trocken in Oberrad. „Grobscholliger Boden“, sagt er. In den Ackerfurchen hat er Borretsch gepflanzt. Kurzer Stiel, feste Blätter und bitterer Geschmack. „Ich mag das Raue daran, das passt zu mir.“ Schecker ist wohl der bekannteste Kräutergärtner der Stadt. Vor acht Jahren war er in Brüssel bei der Europäischen Kommission, um die Grüne Soße als geschützte Marke eintragen zu lassen. „Das ist ein traditionelles Gut“, sagt er. Seitdem darf man sie nur „Frankfurter Grüne Soße“ nennen, wenn alle sieben Kräuter aus Frankfurt kommen, ansonsten nur „Grüne Soße“. Auf der Heckscheibe seines Jeeps klebt ein Sticker: I Herz Grie Soß.
Im Sommer
... kann man zwischen den Frankfurter Wolkenkratzern etwas finden, das manche für die Seele Hessens halten. Es ist grün, dickflüssig und wird serviert in sieben Gläschen, dazu eine Schale mit Simonetta-Kartoffeln. „Grüne Soßen gibt es so viele wie Menschen in Frankfurt, jeder macht sie anders“, sagt Torsten Müller. Mit Maja Wolff gründete er vor fünfzehn Jahren das Grüne Soße Festival. Jedes Jahr suchen sie die beste Grüne Soße Frankfurts, 40 Gastronomen stellen ihr Kreationen zur Wahl, die Gäste stimmen geheim ab. „Noch einen Äppelwoi“, rufen sie den Kellnern zu. An den Bierbänken schmatzen sie und schwenken die Soßen im Mund, nicken sich zu: „Ahh, die hier ist gut.“
In Frankfurt wohnt
... ein unbekannter Meister. Er trägt ein weißes Hemd und eine schwarze Schürze — die Uniform des Küchenarbeiters. Der hektische Gastronomiebetrieb scheint Theophile Oussouboure nichts anzuhaben. 100 Portionen Grüne Soße stehen auf dem Speiseplan in der Gerbermühle. Oussouboure setzt den metallenen Trichter auf eine Häckselmaschine. In ihrem Innern zerkleinern Drehscheiben, Siebe und Messer die Kräuter. Seit 20 Jahren, als er von Burkina Faso nach Deutschland zog, schöpft er das grüne Mus aus der Maschine, gibt Salz und Essig hinzu. Kerbel verleihe der Soße den Pfiff, der Anisnote wegen, meint er. „Es ist ein schönes Kraut, das mich an eines aus meiner Kindheit erinnert.“ Schon zwei Mal gewann seine Grüne Soße das Grüne Soße Festival.
RAUSGESTELLT
(Texte von Doris Lerche und Fotos von Renate Schlicht)
Rausgestellt befasst sich mit auf den Straßen abgestellten Gegenständen, die – aus ihrem Alltags-Zusammenhang gerissen – plötzlich Fantasien und Assoziationen wecken. Dinge, an denen man sonst achtlos vorbeigeht, werden durch ein Foto von Renate Schlicht in den Mittelpunkt gerückt und erhalten durch Doris Lerches Verse eine neue Bedeutung:
Schritt für Schritt
Keine Sieben-Meilen-Stiefel.
Aber vielleicht
passende Schuhe
für einen,
der Schritt für Schritt
gehen möchte.
Ohne Ehrgeiz.
Ohne Eile.
Schritt für Schritt
zur Post.
Zum Supermarkt.
Zu seiner Geliebten,
die ihn nicht will.
Aber vielleicht
will sie ihn doch.
Irgendwann.
Schritt für Schritt
Im Niemandsland
Komm
setz dich
auf unseren
weichen Sessel
im Niemandsland.
Hebe den Kopf.
Strecke die Beine aus.
Hier bist du sicher.
Keiner bekriegt dich.
Keiner bedrängt dich.
Keiner beschimpft dich.
Hier kannst du sein
wer du bist.
Ein Häschen.
Ein Wildschwein.
Eine Turteltaube.
Wer bist du?
Schwein gehabt
Auf rosigen Füßchen
geschmückt
mit Kringeln
und Flecken
und Punkten
versperrt mir
ein Glücksschwein
den rauen Weg.
Ich tauge zu nichts
sagt es.
Nur zur Freude.
Das ist doch nicht wenig
sage ich.
Obdachlos
Die Flügel
weit auseinander geklappt
so lade ich ein
mich zu betrachten
mit all meinem Rost
dem verblichenen Blau,
mit all meinen leeren Fächern.
Hochgeschätzt war ich
in längst vergangener Zeit.
Nun lebe ich
auf der Straße
bei Sonne und Regen
wie ein Bettler
und kann nichts mehr bieten
als Rost und verblichenes Blau
für ein Foto.
Im Wind
Nicht zum Abfall geworfen,
sondern in den Wind gehängt
wie verlorene Kostbarkeiten,
aufbewahrt für den Finder.
Vielleicht kommt ja eine,
die etwas Zartes braucht.
Oder etwas Robustes.
Etwas Schmückendes.
Oder Nützliches.
Vielleicht wird den Dingen
noch eine sinnvolle Zeit geschenkt
bevor auch sie
in der Mülltonne enden.
So wie alles.
Altgedient
Alleinstehende Kaffeekanne
leicht eingeschränkt
da ohne Deckel
aber zart gepunktet
und mit Anhang von vier Tellern
sucht neues Aufgabengebiet.
Kooperation mit weiteren
Vertretern der Branche
erwünscht.
AUF DEM VULKAN
(Texte und Fotos von Maria Remo)
Der Vogelsberg im Herzen von Hessen ist das größte Vulkangebiet auf dem europäischen Festland. Aber wo findet man den Vulkan? Auf der Spurensuche nach dem schlafenden Riesen trifft Maria Remo auf außergewöhnliche Orte, wundersame Begebenheiten, geheimnisvolle Sagengestalten und Fenster zur Erdgeschichte. Zu den Eindrücken der vulkanischen Landschaft stellt sie das Haiku, das sich direkt mit der äußeren Welt beschäftigt, erdnah und unprätentiös:
AUS TRÄNEN WIRD STEIN
ALT WIE DER ANFANG DER WELT
STURM IN DEN HIMMEL
DER SPRUNG VOM FELSEN
IN DER QUELLE KÜHLES NASS
DANN WIEDER STILLE
WILDE FRAU VOM STEIN
KÄMMT AM TEICH IHR WIRRES HAAR
DIE WURZELN GEKAPPT
WER SUCHT DAS WEITE
EIN TRUGBILD AM HORIZONT
HEUTE FÄLLT KEIN SCHUSS
SOMMER IM REGEN
LANGE SCHON NICHTS MEHR PASSIERT
JETZT EINE INSEL
EIN DENKMAL SETZEN
FÜR DEN LETZTEN SEINER ART
STANDHAFT GEOPFERT
BÄUME WIE SCHATTEN
BEWEGUNGSLOSE KURVEN
IM RING DES FEUERS
WORAUF NOCH WARTEN
FÄHRT EIN BUS NACH NIRGENDWO
ENDSTATION SEHNSUCHT
FEUER ZU ERDE
URKRAFT DER VERÄNDERUNG
LANDSCHAFT IN ASCHE
VORSICHT VOR AUSBRUCH
NIEMALS KANN NIEMAND SAGEN
EXPLOSIVE ZEIT
Der Kalender für 2024
Von den hier vorgestellten Projektergebnissen werden zwölf der Text-Bild-Kombinationen ausgewählt und als Monatsblätter im Wandkalender „Text trifft Bild im Literaturland Hessen 2024“ veröffentlicht. Ausgewählte Projekt-Werke werden in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckt oder auch online präsentiert.
Der aus dem Kreativprojekt hervorgegangene Jahreskalender im Literaturland Hessen 2024 kann Ende 2023 auf hr2.de bestellt werden.
Der Kalender und sein Versand werden kostenfrei sein.
Der Jury gehörten an:
Florian Balke – Frankfurter Allgemeine Zeitung
Karin Karn – Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Gerd Kittel – Photokontor Kittel
Christoph Lippok – Spardabank Hessen e.G.
Heike Oehlschlägel – hr2-kultur/Literaturland Hessen
Madelyn Rittner – Hessischer Literaturrat e.V.
Veranstalter*innen
Das Kreativprojekt "Text trifft Bild" ist Teil des Netzwerkprojekts Literaturland Hessen. hr2-kultur ruft zusammen mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Hessischen Literaturrat e.V., der Frankfurter Allgemeine Zeitung, der FAZIT-Stiftung und der Sparda-Bank Hessen e.G. zum kreativen Austausch auf. Zwei Projektgelder im Wert von insgesamt 6.000 Euro werden von der FAZIT-Stiftung zur Verfügung gestellt. Ein weiteres Projektgeld in Höhe von 3.000 Euro trägt die Sparda-Bank Hessen e.G. bei.