Auffallend selten geworden scheint die Frage nach Gott in Westeuropa zu sein. Wer das Wort in den Mund nimmt, wirkt wie ein Exot oder setzt sich dem Verdacht aus, auf fundamentale oder gar fundamentalistische Weise sicher zu sein. Ansonsten löst die Gottesfrage Fremdheit, Stummheit, Achselzucken aus.

Womöglich sind Sprachlosigkeit, Zweifel und Unsicherheit aber gute Begleiter, um sich dem Transzendenten heute neu anzunähern? Denn die Skepsis schützt vor einer überkommenen Form von Religion, die von oben herab angebliche Wahrheiten verkündet, sagt Zeitungsredakteur, Theologe und Psychologe Stefan Seidel. In seinem Buch "Grenzgänge" umkreist er in Gesprächen mit Künstlerinnen, Literaten und kreativen Theologen das Gottsuchen. Bei der neuen Sehnsucht nach einer alten Frage helfe überraschenderweise die Bibel, sagt der Theologe Egbert Ballhorn. Denn viele ihrer Texte zeigen, wie sehr man ihn vermisst und mit wie viel achtungsvoller Vorsicht man von ihm spricht. Der Würzburger Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Psychotherapeut Oliver Hechler behauptet: Die Sehnsucht nach Segen und einem liebevollen Angesehenwerden wächst heute sogar. Nur ist sie nicht mehr an bestimmte Orte oder Institutionen gebunden.

Ein Beitrag von Georg Magirius.

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Sendung: hr2-kultur, "Camino", 23.02.2025, 11:30 Uhr.