Große Politik auf der Opernbühne? Das klingt nach einem Stück ohne Liebesgeschichte und Happy End. Wohl wahr! Aber dennoch hat das inzwischen zum Klassiker der Moderne avancierte Werk von John Adams weit mehr zu bieten als medienwirksam musikalisiertes Händeschütteln und nichtssagendes Lächeln in die Kameras.

Richard Nixon - Thomas Hampson
Pat Nixon - Renée Fleming
Mao Tse-tung - John Matthew Myers
Jiang Qing - Kathleen Kim
Zhou Enlai - Xiaomeng Zhang
Henry Kissinger - Joshua Bloom
Nancy Tang, Maos erste Sekretärin - Yajie Zhang
Maos zweite Sekretärin - Ning Liang
Maos dritte Sekretärin - Emanuela Pascu

Chor und Orchester der Pariser Oper
Leitung: Gustavo Dudamel

(Aufnahme vom 7. April 2023 aus der Opéra Bastille)

Im Februar 1972 reiste Richard Nixon als erster amerikanischer Präsident überhaupt mitten im "Kalten Krieg" für eine Woche nach China zu einem Treffen mit Mao Tse-tung. Gut 15 Jahre später machte John Adams das mediale Großereignis zur Grundlage seiner ersten Oper - nach einem Libretto der amerikanischen Dichterin Alice Goodman und auf Anregung von Regisseur Peter Sellars, der dann 1987 auch die Inszenierung der Uraufführung in Houston übernahm.

Die naturgemäß handlungsarme Vorlage von "Nixon in China" wollte John Adams von Anfang an als "große Oper" verstanden wissen: mit Chören, Arien und einem Ballett, ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts. Inhaltlich entfernt sich das Werk dabei immer mehr vom äußeren Anlass und nachdem im eigentlich zur Unterhaltung der Gäste gedachten Ballett in zweiten Akt die Brutalität des chinesischen Regimes offen zu Schau gestellt wurde, fokussiert der dritte Akt zunehmend auf die Erinnerungen und Gefühle der einzelnen Personen, und das Ganze gerät immer mehr zu einem intimen Paar-Kammerspiel - mit einem sehr nachdenklichen Ende.

Die ganz in der Tradition des amerikanischen Minimalismus stehende und fest in der Dur-Moll-Tonalität verankerte Musik legt eine erstaunliche Bandbreite an den Tag. Der über weite Strecken beschwingt groovende Drive kann ganz schnell in unerbittliche Härte kippen, ist aber ebenso zu bezaubernd lyrischen Momenten in der Lage. Eine beeindruckende Farb- und Charaktervielfalt, die trotz der durchgehend minimalistischen Machart zweieinhalb Stunden keine Langeweile aufkommen lässt.

Die Pariser Inszenierung von Valentina Carrasco nahm den Begriff der "Ping-Pong-Diplomatie" durchaus wörtlich und sorgte mit reichlich Tischtennisplatten für einige sehr unterhaltsame Momente, etwa wenn Mao mit Henry Kissinger oder seiner Frau spielt. An der Spitze eines durchweg ausgezeichneten Sängerensembles ließ man für ihre Rollendebüts Thomas Hampson und Renée Fleming als prominentes Ehepaar Nixon einfliegen, am Pult stand gewohnt souverän und zupackend der Musikdirektor der Pariser Oper Gustavo Dudamel. Und der bei der Premiere anwesende Komponist war ebenso angetan wie das Publikum.

Anschließend:
Tschaikowsky: Thema und Variationen F-Dur aus den Sechs Stücken für Klavier op. 19 (Boris Beresowskij)

Sendung: hr2-kultur, "Opernbühne", 16.09.2023, 20:04 Uhr.