Seit über 20 Jahren begeistert das OVAG-Varieté im Jugendstiltheater Bad Nauheim – als Teil seines "Engagements für die Region" veranstaltet der Energie- und Wasserversorger OVAG dort Europas größte Varieté-Show. Rund 40 Artisten aus 13 Nationen präsentieren ein 3,5-stündiges Spektakel aus Comedy, Akrobatik, Zauberei und einzigartigen Darbietungen wie Bogenschießen im Handstand und Balancen mit Bögen von Streichinstrumenten. Publikumslieblinge wie der "Ungar im Schottenrock" Steve Eleky, die Mentalisten und Magier Timothy Trust und Diamond Diaz sowie die spektakuläre Hassak-Troupe aus Kasachstan sorgen für begeisterte Gesichter.
Stephan Hübner schwelgt beim Internationale OVAG-Varieté im Jugendstiltheater Bad Nauheim in Superlativen.||
1976 war David Bowie auf dem Höhepunkt - seiner Drogensucht. Er flüchtete nach Berlin und begann, sich neu zu erfinden. Dieser Zeit hat Reinhard Kleist den zweiten Band seiner David-Bowie-Biografie gewidmet, eine Graphic Novel, die er in der Romanfabrik Frankfurt präsentierte. Der Zeichner las nicht selbst aus seinem Werk, viel besser: Auf eine Leinwand wurde eine Comicseite mit leeren Sprechblasen projiziert, die sich mit der Stimme eines Schauspielers nach und nach füllten. Der Effekt ist - zusammen mit der Musik, die in den Berliner Jahren entstand - überzeugend.
Ulrich Sonnenschein findet die Berliner Jahre David Bowies in Reinhard Kleists neuer Graphic Novel überzeugend dargestellt.||
Zur Lesung im Hessischen Literaturforum im Mousonturm hatte sich Ruth Maria Thomas angekündigt, eine junge Autorin, 1993 geboren, die ihren ersten Roman vorstellte. "Die schönste Version" stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Das Buch ist vieles - Coming of age einer jungen Frau, Beziehungsroman, Sex und Erotik und häusliche Gewalt kommen vor. Was es nicht ist: ein deutsch-deutscher Wendezeitroman, obwohl Ruth-Maria Thomas aus Cottbus stammt. Daraus könnte man schließen, dass sich die Lebensverhältnisse für junge Frauen in Ost- wie Westdeutschland weitgehend angeglichen haben.
Mario Scalla lernte bei der Lesung von Ruth-Maria Thomas' Roman "Die schönste Version" viel darüber, wie junge Frauen sich zu behaupten lernen.||
Drei Filmregisseure haben sich bisher die "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler vorgenommen, wobei vor allem Stanley Kubrick die Latte sehr hoch gelegt hat. Ist es also Mut oder Übermut, wenn Florian Frerichs sich ebenfalls an den Stoff wagt? Frerichs' Film bleibt enger am Text als Kubrick. Er transponiert die Geschichte aus dem Wien der 1920er Jahre in die Berliner Partyszene der 2020er Jahre. Und nach dem Urteil unseres Filmkritikers Ulrich Sonnenschein hat er mit diesem Wagnis auf voller Linie gewonnen.
Ulrich Sonnenschein ist ein Fan der "Traumnovelle" von Stanley Kubrick, wurde aber von Florian Frerichs' Version überzeugt.||
Hier wird SPIELFREUDE groß geschrieben. Mit Ouvertüren von Verdi und Wagner, drei Orchesterliedern von Richard Strauss und Gustav Mahlers 4. Sinfonie hat das Landesjugendsinfonieorchester in Schlitz dem Publikum am Wochenende ein romantisches Feuerwerk zum neuen Jahr geboten. Bei so einem Programm gibt es viele Herausforderungen, aber die jungen Musiker haben diese Herausforderungen perfekt gemeistert - und das neben Schule, Hausaufgaben und Alltag. Kurzum: ein musikalischer Hochgenuss!
Maximilian Peter war am Samstag beim Neujahrskonzert des LJSO Hessen - und war beeindruckt!||
So sehen gute Karikaturen aus. Die besten des vergangenen Jahres wurden am Freitagabend in Kassel mit dem deutschen Cartoonpreis ausgezeichnet. Er wird vom Lappan-Verlag und der Frankfurter Buchmesse vergeben. Aus über 4000 Bildern wählte die Jury drei aus. Dazu kam ein Publikumspreis. Vera John kann die Preisträger des Deutschen Cartoonpreises nachvollziehen, findet aber, es hätte noch viele andere preiswürdige Karikaturen gegeben.
Vera John kann die Preisträger des Deutschen Cartoonpreises nachvollziehen, findet aber, es hätte noch viele andere preiswürdige Karikaturen gegeben.||
"Grease" von Warren Casey und Jim Jacobs ist benannt nach der Pomade, mit der sich Männer in den 1950er Jahren die Haare nach hinten strichen. Das Musical ist insofern ungewöhnlich, als es nicht eine der klassischen Boy-meets-Girl-Geschichten erzählt, sondern das, was danach kommt. Und an den Regeln, nach denen ausgehandelt wird, wer in Jugendgruppen dazu gehört und wer ausgeschlossen wird, hat sich seit den 1950er Jahren anscheinend nicht viel geändert. Am Dienstag hatte "Grease" mit einer Neuproduktion aus London in der Alten Oper in Frankfurt Premiere.
Esther Boldt ließ sich mit dem Musical "Grease" in der Alten Oper Frankfurt gerne in die 1950er Jahre entführen.||
"Veni, vidi, vici" ist nicht etwa ein Film über das Leben Julius Cäsars. Daniel Hoesl und Julia Niemann knüpfen sich hier das Leben der maßlos Reichen in den Personen von Viktoria und Amon Maynard vor. Die können sich im doppelten Sinne alles leisten. Und so geht Amon Maynard gerne auf die Jagd, wobei er ausdrücklich nicht auf Tiere schießt. Der Butler sorgt dann solange für die Beseitigung der Leichen bis es ihn selbst trifft. Humor aus Österreich ist gerne bitterböse, schwarz und grotesk, wie man es hierzulande nicht wagen würde. Wer solcherart Humor liebt, ist in "Veni, vidi, vici" gut aufgehoben.
Ulrich Sonnenschein liebt den schwarzen, grotesken Humor aus Österreich, für den der Film "Veni, vidi, vici" das neueste Beispiel liefert.||
Whoopi Goldberg hat 1992 die Latte sehr hoch gelegt mit ihrem Auftritt in der Komödie "Sister Act". Doch die Adaption für die Bühne in der Jahrhunderthalle Frankfurt kann mühelos mithalten. Erzählt wird die Geschichte der Nachtklubsängerin Dolores, die in einem Kloster untertauchen muss und die Nonnen gehörig aufmischt. Wer die alte Musik aus dem Film erwartet, wird hier aufs Schönste enttäuscht. Alan Menken - der noch lebende Mensch mit den meisten Oscars bei sich zu Hause im Regal - hat sämtliche Titel neu geschrieben. Und sie sind so mitreißend wie damals im Film.
Bastian Korff kam mit einem breiten Grinsen aus dem Musical "Sister Act" in der Jahrhunderthalle Frankfurt.||
Der eigentliche Clou dieser Ausstellung in der Frankfurter Kunsthalle Portikus "Adrian Piper. Who, me?" ist die verschlossene Tür, vor der man steht, wenn man sie betreten möchte. Tanja Küchle lässt sich auf die künstlerische Aufforderung der US-amerikanischen Künstler-Philosophin Adrian Piper ein - und erlebt ein so scharfsinniges, wie betörend schönes Spiegelkabinett - samt entwurzelt in der Luft schwebendem Baum.
Tanja Küchle ließ sich auf die Installationen der US-amerikanischen Künstlerin Adrian Piper im Frankfurter Portikus ein.||
Das Staatstheater Darmstadt hat sich vorgenommen Christopher Nolans Meisterfilm "Interstellar" auf die Bühne zu bringen - und hängt damit die Latte sehr hoch. Die Menschheit hat die Erde zunehmend unbewohnbar gemacht, und Astronaut Cooper fliegt ins All, um einen neuen Planeten zu suchen. Er zahlt dafür einen extremen Preis: Voraussichtlich wird er seine Tochter Murph nie wieder sehen können. Fünf Schauspieler leisten für die Umsetzung im Staatstheater Schwerstarbeit: Jeder füllt mehrere Rollen gleichzeitig aus; sie hantieren mit Kameratechnik; sie singen und spielen Gitarre. Und tatsächlich gelingt das ambitionierte Projekt in Darmstadt, dem Sitz der Europäischen Weltraumbehörde.
Jan Tussing sah am Staatstheater Darmstadt einen seiner Lieblinsfilme "Interstellar" überzeugend für die Bühne umgesetzt.||
Kunstfreunde wissen: Aschaffenburg ist einen Abstecher wert, weil es dort die Kunsthalle Jesuitenkirche gibt. Den Kuratoren gelingt es immer wieder zu überraschen. Ihre gegenwärtige Ausstellung ist der "Art brut" gewidmet, wörtlich der "rohen Kunst". Sie stammt von Künstlern, die keine künstlerische Ausbildung genossen haben; häufig lebten sie in der Psychiatrie. Der Begriff stammt von Jean Dubuffet, der darauf aufmerksam machen wollte, welche künstlerischen Leistungen hier verborgen sind. Mit insgesamt 72 Werken von 44 Künstlern gelingt in Aschaffenburg ein Überblick über diese vielfältige Kunstrichtung.
Mario Scalla hat die Reise nach Aschaffenburg zu "Biotop Art Brut" in der Kunsthalle Jesuitenkirche nicht bereut.||
Robbie Williams leidet unter einer körperlichen Fehlwahrnehmung: Er sieht sich als imposanten Affen. Konsequenterweise tritt er im Film "Better Man - Die Robbie Williams Story" denn auch durchweg als Affe auf. Sein Vater tingelte als Entertainer über britische Kleinkunstbühnen; der Sohn füllt ganze Stadien. Der Preis des Ruhms ist hoch: Alkohol, Drogen, Schmerztabletten, Depressionen, das ganze Programm. Und da Robbie Williams den Film mitproduziert hat, erfährt man seine Sicht der Dinge. Vor allem aber wird der Film von der Musik getragen, was ihn auf eine Ebene wie "Rocket Man" über Elton John oder "Bohemian Rhapsody" über Freddie Mercury hebt.
Ulrich Sonnenschein empfiehlt den Film "Better Man - Die Robbie Williams Story" vor allem wegen der Musik.||
Noch bis zum 9. Februar läuft am Stadtmuseum Hofheim die Ausstellung "Der gesprengte Kreis - Die Schülerinnen und Schüler Max Beckmanns". Beckmann gab acht Jahre lang - von 1925 bis zur Machtergreifung der Nazis 1933 - Meisterklassen an der Städelschule in Frankfurt. In Hofheim sind die Werke von acht seiner Schülerinnen und Schülern zu sehen. Im ersten Raum stehen sie noch deutlich unter dem Einfluss des Meisters. Dann gehen sie in die innere oder äußere Emigration. Und nach dem Krieg müssen sie feststellen, dass niemand auf sie gewartet hat. Die Kunst zumindest im Westen Deutschlands wird abstrakt, Beckmanns Schüler repräsentieren eine abgebrochene Tradition.
Mario Scalla erhielt in der Ausstellung "Der gesprengte Kreis" am Stadtmuseum Hofheim eine Ahnung, wie die Kunstgeschichte ohne den Zweiten Weltkrieg verlaufen wäre.||
"Interviews mit Bäumen" am Staatstheater Darmstadt ist nicht etwa eine Inszenierung von Peter Wohllebens "Das geheime Leben der Bäume", sondern eine Satire auf den Medienbetrieb. Zwei US-amerikanische Schauspieler wollen einen Film drehen, der in den Zeitgeist passt, also selbstverständlich nachhaltig, spirituell und klimafreundlich. Was liegt da näher, als dass der eine eine Douglasie spielt und die andere eine Tanne. Aus Kostengründen wird der Dreh in den Frankenwald verlegt, nur dass der für die optische Wirkung noch umgefärbt werden muss. Und dann startet die PR-Offensive. Eine schöne Idee, aber manchmal etwas zäh umgesetzt.
Ursula May fand die Satire "Interviews mit Bäumen" am Staatstheater Darmstadt nicht schlecht, hätte aber manche Länge gekürzt.||
Der Filmtitel "Die Saat des heiligen Feigenbaums“ des iranischen Regisseurs Mohammad Rasoulof klingt verführerisch nach einem orientalischen Märchen – aber das ist die falsche Spur. Der Feigenbaum ist ein Parasit. Seine Samen werden mit dem Kot von Vögeln auf anderen Bäumen ausgeschieden, entwickeln Luftwurzeln, schlagen Wurzeln sobald sie das Erdreich erreichen und ersticken den Wirtsbaum. Für Rasoulof ist das ein Gleichnis für das iranische Regime, unter dem die Religion das Volk erstickt. Nun sind starke Gefühle der Abneigung wohlfeil, aber Rasoulof findet für seine Geschichte auch starke Bilder, die häufig aus Handy-Aufnahmen von Auseinandersetzungen mit der Polizei stammen. "Die Saat des heiligen Feigenbaums" ist der deutsche Kandidat für den Auslands-Oscar - unbedingt sehenswert!
Ulrich Sonnenschein findet, dass Mohammad Rasoulofs Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" völlig zu Recht ins Rennen um den Auslands-Oscar geschickt wird.||
In der Musik sind Etüden Übungsstücke. Der Choreograf Max Levy hat für seine "Etudes" am Stadttheater Gießen den Gedanken auf den Tanz übertragen. Fünf Tänzerinnen und Tänzer suchen bei ihm nach der perfekten Bewegung, die sich nur durch ständige Wiederholung finden lässt. Sie tragen dicke Röcke, die sie im Laufe des Abends Schicht um Schicht ablegen. Der Boden wirkt anfangs schwarz, doch er besteht aus Quadraten, die beim Umlegen weiß sind. Dazu kommen projizierte Farbschleier. Zusammen mit der Musik von John Kameel Farah entsteht so eine meditative Wirkung.
Christiane Hillebrand gab sich der meditativen Wirkung der Tanz-"Etudes" von Max Levy am Stadttheater Gießen hin.||
Wer von dem Musical "Elisabeth" in der Alten Oper Frankfurt Romy-Romantik und Sissi-Kitsch befürchtet, wird angenehm enttäuscht werden. Autor Michael Kunze und Komponist Sylvester Levay wollten eine andere Seite von Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, zeigen. Sie erzählen eine Liebesgeschichte mit dem Tod, die mit dem Sturz von einer Schaukel schon als Jugendliche beginnt. Die Aufführung wird als "halb-szenisch" angekündigt, das heißt, das Bühnenbild fehlt. Deswegen wissen die Sänger und Sängerinnen manchmal nicht recht, wohin sie sich bewegen sollen. Aber das tolle Orchester und die professionellen Stimmen machen alles wieder wett.
Bastian Korff hatte von "Elisabeth" in der Alten Oper Frankfurt Romy-Romantik und Sissi-Kitsch befürchtet und wurde angenehm enttäuscht.||
In der Ausstellung "Von Spiegeln und Schatten" im Kunsthaus Wiesbaden treffen ausgestopfte Tierschädel auf Vorhänge aus Gummihandschuhen - Birgit Berg-Blocks liebste Epoche der Kunstgeschichte ist der Surrealismus. Die andere Inspirationsquelle, die die Künstlerin selbst nennt, ist das Buch "Alice hinter den Spiegeln". Birgit Berg-Block kombiniert Objekte, die auch auf den zweiten Blick nichts miteinander zu tun haben. Und mit den Spiegeln, die sie hinter vielen Objekten platziert, macht sie den Betrachter zu einem Teil ihrer Kunstwerke.
Tanja Küchle konnte sich an der Ausstellung "Von Spiegeln und Schatten" mit Kunstwerken von Birgit Berg-Block im Kunsthaus Wiesbaden nicht satt sehen.||
Sandrine und Christophe sind 20 Jahre verheiratet, haben zwei Kinder großgezogen - und leben inzwischen aneinander vorbei. Das ist die Ausgangslage des Films "Es liegt an dir, Chéri". Irgendwann gibt es den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, und Sandrine (Charlotte Gainsbourg) schlägt vor, sich zu trennen. Das rüttelt Christophe (José Garcia) wach, und er bittet seine Frau um einen letzten Wochenendausflug, um die Ehe zu retten. In Frankreich war "Es liegt an dir, Chéri" ein großer Erfolg, und wieder einmal bestätigt sich: Die Franzosen machen einfach die besseren Komödien.
Daniella Baumeister genießt in Filmen wie "Es liegt an dir, Chéri" die Leichtigkeit französischer Komödien auch bei schwierigen Themen.||
Mit "Aua" ist Axel Hacke ein heißer Anwärter auf den kürzesten Buchtitel aller Zeiten. Hierin erzählt er die Geschichte seines Körpers und machte dabei auf seiner Lesereise auch in Frankfurt Station. Schnell ist der Kontakt zum Publikum hergestellt. Immer wieder gelingen Hacke Gedanken zum Nachsinnen: Stecken in meinem Körper tatsächlich noch Moleküle meiner Großmutter oder sogar irgendeiner berühmten Persönlichkeit? Und Hacke verschweigt auch seine Alterserscheinungen nicht, etwa wenn er einen guten Freund trifft, sich beim besten Willen aber nicht mehr an den Namen erinnern kann.
Ulrich Sonnenschein bekam von Axel Hacke auf dessen Lesereise zu "Aua! Die Geschichte meines Körpers" das, was das Publikum erwartet hatte.||
Das Nonnen-Musical "Nunsense", das das "English Theatre" in Frankfurt ins Programm genommen hat, hat schon einige Jahre auf dem Buckel. 1985 als Off-Broadway-Produktion in New York entstanden, war es das zweiterfolgreichste Off-Broadway-Musical aller Zeiten, was die Laufzeit angeht. 1985 waren die Missbrauchsskandale in der Kirche noch nicht bekannt geworden, und Kirchenkritik kommt nur gedämpft daher. Das Musical reizt eher das komische Potenzial der Nonnenfigur aus, denn eine Frau gewinnt immens an moralischer Fallhöhe, wenn sie in ein Nonnenhabit schlüpft. Vom Karneval bis zu Horrorfilmen treiben sich auffällig viele Nonnen in der Pop-Kultur herum, und "Nunsense" steht mit am Anfang dieser Tradition.
Ulrich Sonnenschein brachte das Musical "Nunsense" am English Theatre Frankfurt zum Nachdenken über die Beliebtheit von Nonnen in der Pop-Kultur.||
Das Nonnen-Musical "Nunsense", das das "English Theatre" in Frankfurt ins Programm genommen hat, hat schon einige Jahre auf dem Buckel. 1985 als Off-Broadway-Produktion in New York entstanden, war es das zweiterfolgreichste Off-Broadway-Musical aller Zeiten, was die Laufzeit angeht. 1985 waren die Missbrauchsskandale in der Kirche noch nicht bekannt geworden, und Kirchenkritik kommt nur gedämpft daher. Das Musical reizt eher das komische Potenzial der Nonnenfigur aus, denn eine Frau gewinnt immens an moralischer Fallhöhe, wenn sie in ein Nonnenhabit schlüpft. Vom Karneval bis zu Horrorfilmen treiben sich auffällig viele Nonnen in der Pop-Kultur herum, und "Nunsense" steht mit am Anfang dieser Tradition.zur hessenschau.de Audio-Einzelseite
Ulrich Sonnenschein brachte das Musical "Nunsense" am English Theatre Frankfurt zum Sinnieren über die Beliebtheit von Nonnen in der Pop-Kultur.||
Dass diese Bilder von unbekannten Menschen, die die niederländische Künstlerin vor 30Jahren an Stränden in aller Welt mit einer Großformat-Kamera gemacht hat, gerade jetzt in Frankfurts wichtigstem Museum der Bildenden Künste zu sehen sind, ist bestimmt kein Zufall: Hängen doch im selben Haus zur Zeit Öl-Portraits der Bürger von Amsterdam aus dem 17. Jahrhundert. Rineke Dijkstras Ikonen der Fotografiegeschichte zeigen Badende in ihrer Unschuld, kein Lächeln, keine Posen. Das sind reduzierte Bilder wie Gemälde, die heute so nicht mehr realisiert werden könnten. Also auch ein Blick in die Vergangenheit, auf junge Menschen, die längst anders und erwachsen sind.
Stefanie Blumenbecker war von Aufwand und Ergebnis der Fotografien beeindruckt||
Ein Abend über die Augsburger Puppenkiste - nach dem vielbeachteten Roman "Herzfaden" von Thomas Hettche: Gefeiert werden die Puppen und auch die Idee des Puppenspiels. Es gibt wirklich tolle Szenen mit Marionetten zu sehen, alle möglichen Arten, einen Kaspar, einen riesiger Urmel und einen mächtigen Lukas, den Lokomotivführer. Regisseur Moritz Sostmann hat einiges mitgebracht, er ist selbst studierter Puppenspieler, hat lange das Puppentheater Magdeburg geleitet.Kurzum: Ein intelligenter, bildgewaltiger, origineller Theaterabend, bei dem man eine völlig neue Perspektive auf Puppen, das Puppenspiel und nicht zuletzt in die legendäre Puppenkiste-Familie Oehmichen bekommen kann.
Ursula May war im Staatstheater Wiesbaden fasziniert von der Geschichte rund um die Marionetten||
Am Staatstheater Kassel ist das neue Stück von Sina Ahlers "Milch & Schuld" uraufgeführt worden: Die Übermutter schafft alles, wenn sie es nur will, selbst mit Drillingen. Während die eine Schauspielerin das Mantra verkündet, sitzt eine andere auf ihren Schultern. Zwei weitere hängen an ihren Armen. Mit viel Körpereinsatz und Performance lotet "Milch & Schuld" Gefühle, Gedanken, Urteile rund um die Mutterschaft aus. Im Zentrum: Zartie und Holly. Holly wünscht sich so sehr ein Kind, dass sie Zartie als Leihmutter engagiert – gegen Bezahlung. Doch das ungeborene Kind hat einen "Defekt" – genau wie die einbeinige Taube, die im Frankfurter Hauptbahnhof auf Zarties Schoß hockt.
Vera John erlebte mit dem neuen Stück "Milch & Schuld" am Staatstheater Kassel alle Aspekte der Mutterschaft.||
Die britische Ausstellung "Wildlife Photographer of the Year" kommt nach Darmstadt ins Hessische Landesmuseum – zum ersten Mal in der Geschichte des renommierten Foto-Wettbewerbs, der 2025 sein 60. Jubiläum feiert. Gezeigt werden 100 Fotografien aus über 60.000 Einsendungen, die Finalisten des aktuellen Wettbewerbs. Sie machen sichtbar, wie schön und zerbrechlich die Natur ist. Fast jede einzelne Fotografie ist ein Dokument dessen, was auf der Erde allmählich verschwindet. Und damit lässt einen die Ausstellung einerseits bezaubert zurück – und andererseits sehr traurig.
Tanja Küchle kam aus dem Landesmuseum Darmstadt und war von der Vielfalt der Fotografien wilden Lebens überrascht||
Sechs Bücher hat Dinçer Güçyeter veröffentlicht, darunter den Roman "Unser Deutschlandmärchen", für den er den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt. Seit September ist er nun Stadtschreiber von Bergen-Enkheim, kam aber erst jetzt dazu, seine Antrittsvorlesung zu halten. Güçyeter schöpft aus seiner Familiengeschichte: Die Großmutter war noch die Tochter einer Nomadin, die durch Anatolien zog. Die Mutter schlägt sich in den 60er-Jahren in Köln durch. Schnell lernt sie, dass man in Deutschland das Geld nicht von den Bäumen pflücken kann, wie sie glaubte; aber sie besteht auf ihrer Selbständigkeit, etwa indem sie ihren Führerschein macht. Güçyeter lässt uns eintauchen in das Leben als Einwanderer und betont, wieviel er dabei seiner eigensinnigen Mutter verdankt.
Mario Scalla durfte über den Stadtschreiber von Bergen-Enkheim, Dinçer Güçyeter, an den anatolischen Lebensweisheiten von dessen Großmutter teilhaben.||
Dieser Dokumentarfilm verbindet eine beeindruckende Tanzkultur mit einem der größten Massenmorde der Menschheitsgeschichte. Tanz durfte es im Steinzeitkommunismus von Pol Pot zwischen 1975 und 1979 nicht geben. Es ist die Idee des Kölner Regisseurs Enrique Sanchez Lansch, beides miteinander zu verbinden, um Geschichte anders zu erzählen und Erinnerung an eine Zeit, die nicht vergessen werden darf, anders zu erhalten.
Daniella Baumeister empfiehlt den Film "Pol Pot Dancing" all jenen, die zum Baden nach Südostasien fahren||
Spielzeug bietet ein getreues Abbild der Zeitläufte, wie eine neue Ausstellung im Hessischen Puppen- und Spielzeugmuseum, Hanau, vermittelt, bei der es um Mobilität in allen Spielarten geht. Dazu gehört der Tretroller genauso wie der Brummkreisel, der eine fliegende Untertasse darstellen soll. Im Dritten Reich wurde mit Hilfe von Spielzeug schon einmal der Krieg eingeübt, und heute geht die Digitalisierung auch am Kinderzimmer nicht vorbei. Eine Ausstellung für alle, die erfahren möchten, dass auch unsere Vorfahren einmal Kinder waren.
Mario Scalla wurde im Hessischen Puppen- und Spielzeugmuseum, Hanau, nostalgisch zumute.||
Beinahe wäre die Premiere von Verdis "Macbeth" an der Oper Frankfurt geplatzt, da die Darstellerin von Lady Macbeth - Tamara Wilson - beim besten Willen nicht singen konnte. Aus Kopenhagen wurde die dänische Sopranistin Signe Heiberg eingeflogen, und obwohl sie nur eine halbe Stunde Zeit für Absprachen hatte, rettete sie den Abend. Nichts wackelte, sie sang ausdrucksvoll, dramatisch, souverän und auswendig. Die Inszenierung von R. B. Schlather spielt zu Hause bei den Macbeth's, wo das Spiel um Gier und Macht seinen Lauf nimmt. Der Chor war großartig, das Orchester fantastisch, differenziert dirigiert von Thomas Gugeis. So lässt sich erleben, wie toll die Musik von Verdi ist.
Meinolf Bunsmann über einen in jeder Hinsicht gelungenen Opernabend mit Verdis "Macbeth", der auf der Kippe stand.||
Das Gießener Rathaus beherbergt auch die Gießener Kunsthalle. Die neue Ausstellung, die dort gezeigt wird, trägt den Titel "Raphaela Vogel. Die Dressur des Raumes". Raphaela Vogel "dressiert" den Ausstellungsraum, indem sie einen eigenen "Raum im Raum" erschafft. Für Kritikerin Tanja Küchle fühlte es sich an, als würde sie in eine Parallelwelt eintreten, ähnlich dem Kaninchenbau von "Alice im Wunderland". Süß und verspielt – und gleichzeitig düster und unheimlich. Als eine Art Künstler-Forscherin geht es Raphaela Vogel um Fragen wie: Was schreibt sich in Orte und Räume ein, welche Bedeutungen, welche Nutzungen? Wie prägen Machtverhältnisse Orte und Räume – und worin zeigt sich das? Ihre Kunst ist sehr durchdacht und intellektuell anregend, sie enthält ungemein viele Bezüge und Anspielungen quer durch die Kunstgeschichte, von venezianischen Deckenfresken bis zur Performance-Kunst von Bruce Nauman. Sie ist aber gleichzeitig auch sinnlich und unmittelbar körperlich erfahrbar. Und bei aller Intellektualität und Kritik der Verhältnisse behält Raphaela Vogel eine sehr humorvolle Perspektive. Die aber die Kritik nicht abschwächt. Im Gegenteil. Einfach herausragend!
Tanja Küchle hat in der Kunsthalle Gießen staunend gelernt, dass bei Raphaela Vogel Putzen die höchste Form der Dressur sei||
Ein junger Mann soll Frankfurt verlassen, um seinen Opa in Albanien ein letztes Mal zu besuchen. Er sträubt sich, macht sich doch auf den Weg - und kommt zu spät. Jetzt soll er die Asche verstreuen, an einem Strand mit großer Bedeutung... Enkelejd Lluca schafft - auch mit vielen Rückblenden - ein vielschichtiges und poetisches Portrait eines Mannes, der ohne Eltern aufwuchs und seine Herkunft sucht. Die schönen Bilder von albanischer Landschaft und den oft jungen Schauspielern sowie eine Verbeugung vor der Menschlichkeit machen Lust auf mehr von diesem Regisseur sowie Kameramann Blerim Destani - und auf ein Land, das die meisten nicht kennen.
Ulrich Sonnenschein mochte die vielen Geschichten und die Bilder im Film von Enkelejd Lluca ||
Die große Winterausstellung in Frankfurts wichtigstem Museum bildener Künste entführt uns ins 17. Jahrhundert: "Rembrandts Amsterdam": Eine Ausstellung über eine Stadt, eine Stadtgesellschaft, die für etwa 100 Jahre die vielleicht reichste Stadt Europas war und mit großem Selbstbewusstsein sich selbst und ihre Bürgerschaft feierte. Man sieht Malerei und Druckgrafik auf höchstem Niveau. Das Thema ist komplex, aber gut präsentiert und klug aufbereitet. Die Bilder werden wie Stars im Theater in Szene gesetzt, Licht, Wandfarbe, alles dient der Steigerung der Malerei. Das Goldene Zeitalter war in Bezug auf die Malerei wirklich golden und Amsterdam liegt gerade am Main!
Stefanie Blumenbecker hat Bilder gesehen, die die Ausnahmestellung des Frankfurter Städels untermauern||
Erinnerung hat auch eine politische Dimension: Damit die Menschheit die eigene Geschichte nicht vergisst, aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen kann, gibt es – unter anderem – Museen. Das Historische Museum Frankfurt ist bekannt für sein Stadtlabor, in dem Berichte von Frankfurter Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gesammelt und ausgestellt werden. Am Wochenende war das Junge Ensemble des Schauspiel Frankfurt hier zu Gast, mit der Premiere "Zeit für Zeug:innen".
Esther Boldt hat einen schönen und berührenden Abend im Historischen Museum erlebt||
Das dreitägige "Komponistinnen Musikfestival" in Frankfurt führt Werke von Frauen auf. Ihnen gegenübergestellt werden Stücke von männlichen Komponisten. In der Qualität ist kein Unterschied zu hören; allerdings stellt sich der Wiedererkennungseffekt fast nur bei den Männern ein. Da ist zum Beispiel die französische Komponistin Mélanie Bonis. Sie reichte ihre Stücke bei Kompositionswettbewerben ein, erhielt aber nie einen Preis. Erst als sie ihren Vornamen auf M. abkürzte, galt sie plötzlich als preiswürdig. Man könnte nun denken, das ist ein Jahrhundert her, aber das Programm des Musikfestivals beweist, dass es unter Komponistinnen immer noch viel zu entdecken gibt.
Adelheid Kleine entdeckte viel "neue" Musik beim "Komponistinnen Musikfestival" in Frankfurt.||
Von Pflanzensamen, die vom Wind oder von Tieren, an andere Orte transportiert werden, über die Nazi-Verordnungen von 1942, die jüdischen Menschen und Sinti- und Romnja die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs in Frankfurt untersagt haben, bis zu Frankfurt als Knotenpunkt der Datenströme: Die Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt bietet eine großen Überblick, der eher in die Breite als in die Tiefe geht. Erstaunlicher Weise funktioniert das sehr gut. Die Ausstellung ist nämlich auch spielerisch und assoziativ – und regt so wirklich dazu an, sich mit Fragen der Mobilität auseinanderzusetzen.
Tanja Küchle hat sich im Historischen Museum Zeit gelassen - und umso mehr erfahren||
Wer hierzulande über die ersten Anzeichen von Weihnachten stöhnt, hat noch nicht das Großereignis Weihnachten in Irland erlebt. In seinem Dokumentarfilm "So this is christmas" entführt Ken Wardrop die Zuschauer in eine irische Kleinstadt. Was dort für die einen die schönste Zeit des Jahres ist, ist für andere eine Zeit großer Einsamkeit. Und die besonders Hartgesottenen behaupten, mit Weihnachten nichts am Hut zu haben. Wie bei jedem Dokumentarfilm stellt sich auch hier die Frage, wie weit die Anwesenheit der Kamera das Geschehen beeinflusst hat.
Ulrich Sonnenschein liebt alles Irische, so auch den Dokumentarfilm "So this is christmas" von Ken Wardrop.||
Annette Schröter gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Leipziger Schule und hat in den vergangenen 20 Jahren den Papierschnitt revolutioniert. Den kennen wir als Form der Illustration oder der Volkskunst, den Schattenriss oder abstrakte Ornamente aus zumeist schwarzem Papier. Schröter hat 2002 begonnen in Papier zu schneiden, allerdings mit Cutter und Skalpell statt der Schere - und hat so Strukturen entwickelt, in teilweise spektakulärer Ornamentik, mit feinsten Durchbrüchen und Durchsichten und einem verblüffenden Wechsle von schwarzen und weißen Flächen, die zu entdecken eine wahre Herausforderung für das Auge ist. Die Kunstwerke, die im Kunstverein Rüsselsheim zu sehen sind, stammen zum größten Teil aus den letzten vier Jahren, sind also alle ziemlich aktuell. Sie vermitteln den Eindruck, als würde sich die Technik unter den Händen von Annette Schröter regelrecht verselbstständigen. Eine eindrucksvolle Schau.
Stefanie Blumenbecker hat erlebt, wie sich die Kunstwerke im Kunstverein Rüsselsheim unter ihren Blicken verselbständigen||
Das Hessische Staatstheater fragt in dieser Spielzeit nach dem Erbe – nach dem materiellen ebenso wie nach dem immateriellen. Von vorangegangenen Generationen erben wir Haarfarben und Talente, vielleicht Schmuck und vergilbte Fotoalben, aber auch finanziellen Wohlstand oder Schulden. Um alte Vermögen und Steuergerechtigkeit geht es in der Uraufführung in Wiesbaden: „Unser Erbe. Tax me if you can“ in der Regie von Helge Schmidt am Staatstheater Wiesbaden wirft große Themen wie in die Waagschale. Die These, dass das bestehende Steuersystem in Deutschland die Ungleichheit befördere und letztlich die Demokratie gefährde, untermauern Schmidt und sein Team mit so vielen Daten und Fakten, dass unserer Rezensentin der Schädel schwirrte.
Esther Boldt empfand im Staatstheater Wiesbaden, dass in dieser sympathischen Aufführung weniger mehr gewesen wäre||