Der spanische Filmregisseur Pedro Almodóvar hat vor fünf Jahren beim Filmfestival in Venedig den Preis für sein Lebenswerk bekommen. In seinem Film "The Room Next Door" setzt er sich nun mit der Sterblichkeit auseinander. Martha (Tilda Swinton) hat als Kriegsreporterin mit dem Tod gelebt; jetzt ist sie selbst todkrank. Zufällig trifft sie ihre Freundin Ingrid (Julianne Moore). Martha möchte sich die Entscheidung vorbehalten, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen, und bittet ihre Freundin, im Zimmer nebenan zu warten. Von den Bildern und Dialogen her ein gelungener Film, wenn nicht Almodóvar versucht hätte, auch noch das Thema Klimawandel mit hineinzunehmen.
In Daniella Baumeister wirken die Bilder aus Almodóvars Film "The Room Next Door" immer noch nach. Was kann man Besseres über einen Film sagen?||
"Ikona – Heilige Frauen" heißt die neue Ausstellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt. Sie wird ausgerichtet vom Ikonenmuseum, das dem Haus angeschlossen ist, und ist die erste Sonderausstellung zu Ikonen in Frankfurt überhaupt. Eine Ikone ist kein Kunstobjekt, wie religiöse Kunst im Westen inzwischen weitgehend verstanden wird. Sie wird wirksam, wenn sie geweiht ist, und dient den Gläubigen als direkter Draht zur Heiligen. Anders als in der westlichen Kunst zeigen die dargestellten Personen nie Gefühle, ihr Gesichtsausdruck wirkt auf uns maskenhaft. Eine spannende Ausstellung für alle, die eine fremdartige Welt religiöser Kunst und Glaubenspraxis erleben wollen.
Stefanie Blumenbecker tauchte in der Ausstellung "Ikona – Heilige Frauen" im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt, in eine fremde Welt ein.||
Im Tanzabend "Broken Bob" am Staatstheater Darmstadt steht "Bob" für den Menschen an sich. Eine androgyne Masse tanzt eine weiße Treppe hinauf und hinab. Nur ab zu löst sich ein "Bob" aus dieser Masse, fügt sich aber im Gedröhn der Elektromusik schnell wieder ein. Mit dieser Neukreation des niederländischen Geschwisterpaars Imre und Marne van Opstal stellt das Hessische Staatsballett wieder zeitgenössischen Tanz vor. Und in "Broken Sense of Beauty" beschreibt die chinesische Choreografin Xie Xin eine persönliche Tragödie: Ihr Tanzstudio in Schanghai ist abgebrannt.
Joelle Westerfeld empfiehlt den Doppelabend "Broken Bob" des Hessischen Staatsballetts nicht nur Liebhabern des zeitgenössischen Tanz.||
Mit elf Jahren sah Pat Metheny die "Beatles" im Fernsehen und wusste: Ich will Gitarre spielen. Von seinen Eltern wünschte er sich so ein Instrument und die sagten: Die musst du dir selbst zusammensparen. Das ist nun sechzig Jahre her und fast so lange steht Metheny schon auf der Bühne. Nur seine rund ein Dutzend Gitarren hat er diesmal dabei, zu jeder einzelnen pflegt er ein persönliches Verhältnis. Und die Alte Oper in Frankfurt ist für ihn ein magischer Ort, den er bei jeder seiner Touren aufsucht. Das Publikum erlebte einen Metheny, der mit dem Alter nicht nur immer experimentierfreudiger, sondern auch gesprächiger wird.
Daniella Baumeister erlebte in der Alten Oper Frankfurt einen Pat Metheny, der mit dem Alter immer experimentierfreudiger wird.||
"Join" ist ein ambitioniertes Kooperationsprojekt: Neben den 17 Tänzerinnen und Tänzern der Frankfurt Dresden Dance Company stehen 25 Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst mit auf der Bühne. Mit präzise inszenierten Gruppenszenen sorgt Choreograf Ioannis Mandafounis dafür, dass alle zu ihrem Recht kommen. Das Zusammenkommen verschiedener Generationen erzählt wie nebenbei viel über das Körperwissen, das im professionellen Tanz über Jahre und Jahrzehnte kultiviert wird. Ein mitreißendes Wimmelbild, das auch inhaltlich um Formen von Begegnung kreist – friedliche und konflikthafte, neugierige und routinierte.
Esther Boldt ist vom Zusammenspiel der Dresden Frankfurt Dance Company mit Frankfurter Studierenden begeistert||
"The Rough and Rowdy Ways" heißt die Tour, die Bob Dylan an drei Tagen in die Frankfurter Jahrhunderthalle bringt. hr2-Kritiker Mario Scalla erlebte den US-amerikanischen Singer/Songwriter am ersten Abend aber alles andere als wild: altersmild und abgeklärt wirkte der mittlerweile 83-jährige Musiker, ruhig und episch die Stücke seines neuen Albums.
Mario Scalla fand Bob Dylan trotz seiner 83 Jahre musikalisch und stimmlich voll präsent.||
Beim Gang zur Guillotine ist Hilde Coppi (Liv Lisa Fries) die Nr. 7 von 25 auf ihre Hinrichtung wartenden Frauen. Regisseur Andreas Dresen hat in seinem Film "In Liebe, Eure Hilde" einen ungewöhnlichen Zugang zum Thema Nationalsozialismus gewählt. Sein Film ist weitgehend frei von Hakenkreuzen und ähnlicher Symbolik. Er erzählt das zunächst mal sehr private Schicksal einer Frau, die in den Widerstand gerät. Und wie der Regisseur geht auch die Kamera ganz nah dran, registriert die Regungen in den Gesichtern - bis zum schrecklichen Ende.
Ulrich Sonnenschein lobt, wie Andreas Dresen den Nationalsozialismus in "In Liebe, Eure Hilde" abseits der Klischees darstellt.||
Das Museum Wiesbaden ist Zentrum von Jugendstil und Art Nouveau, Wiener Sezession und Symbolismus. Jetzt gibt es, neben den hochwertigen Gemälden, Möbeln, Vasen, Lampen und Objekten seit letzter Woche auch die Kunst der Straße aus dieser Zeit zu sehen: "Plakatfrauen – Frauenplakate" zeigt Plakatkunst aus der Zeit des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Stefanie Blumenbecker findet, die Ausstellung "Plakatfrauen – Frauenplakate" passe perfekt zum Jugendstil-Schwerpunkt des Museums Wiesbaden.||
"La cage aux folles" am Staatstheater Kassel handelt von einem Nachtclub-Besitzer, der mit seinem größten Star liiert ist: Dragqueen Zaza. Sein Sohn will auf einmal die Tochter eines erzkonservativen Politikers heiraten. Das kann nur für Ärger sorgen. Tut es auch und das wird mit viel Witz, Übertreibung und Klischee auf der Bühne gefeiert. Über allem steht der Hit des Musicals: "I am what I am" – "ich bin, was ich bin". Ein Plädoyer für Toleranz und Vielfalt. Vom Kasseler Premierenpublikum wurde das mit Standing Ovations gefeiert.
Vera John feiert die mitreißende Show und die berauschenden Kostüme bei "La cage aux folles" am Staatstheater Kassel.||
"Rebellin der Moderne" - Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt zeigt eine umfangreiche Retrospektive der Italienerin, die ab den 1930er Jahren künstlerisch aktiv wird. Damals hatte eine Frau gesellschaftlich und künstlerisch nicht viel zu melden. Erst recht nicht im erzkatholischen Italien. Und auch als Künstlerin fühlte sie sich von der internationalen Kunstszene nicht gewürdigt. Also provozierte sie mit ihren Arbeiten, mit grellen, obszönen, verstörenden Collagen. Aber es ging Caral Rama (1918-2015) nicht um die Provokation an sich, sondern um ein Aufbegehren gegen das, was Usus ist. Gegen das, was sich schickt. Das, was im Umkehrschluss, sie als Person und als Künstlerin einschränkt. Sie selbst hat einmal gesagt, sie liebe Objekte und Situationen, die andere ablehnen. Das sagt schon vieles! Kurzum: Es ist beeindruckend, wie Carol Rama sich ihre Freiheit erkämpft und erhalten hat.
Tanja Küchle empfindet die buchstäblich vielschichtigen Arbeiten in der Frankfurter Schirn als bis heute lebendig||
"Der diskrete Charme der Bourgeoisie", "Ein andalusischer Hund" oder "Das goldene Zeitalter" - mit zahlreichen Titeln hat sich Luis Buñuel in die Filmgeschichte eingeschrieben. Javier Espada ist der spanische Buñuel-Experte, und er wagt es, mit dem Dokumentarfilm "Buñuel - Filmemacher des Surrealismus", noch einmal Neues über den Meister zu erzählen. Der Film lohnt sich gerade für die, die noch nicht alles über Buñuel wissen. Und weil es um Surrealismus geht, darf auch manche Frage offen bleiben. Trotzdem ein faszinierender Bilderbogen.
Daniella Baumeister beschreibt "Buñuel - Filmemacher des Surrealismus" als einen faszinierenden Bilderbogen.||
An ein kleines Wunder grenzt, dass Text und Noten der Oper "Gudrun" von Carl Amand Mangold im Staatsarchiv Darmstadt den Bombenkrieg überstanden haben. Große deutsche Opern aus der Romantik sind der "Freischütz" und natürlich die Opern von Richard Wagner. Ansonsten dominierten französische und italienische Komponisten die Szene. Mangolds "Gudrun" war 1850 ein Erfolg und verschwand trotzdem in den Schubladen. Nach rund 175 Jahren wurde die Oper nun im Darmstadtium wieder vorgetragen. Und obwohl die Akustik in diesem Kongresszentrum zu wünschen übrig lässt, ließ die halbszenische Aufführung spüren, dass hier ein großes Werk zu Unrecht in Vergessenheit geriet.
Susanne Pütz meint, dass Carl Amand Mangolds Oper "Gudrun" zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist.||
Der österreichische Schriftsteller, der als genialer Opernerzähler gilt und Mitbegründer der Salzburger Festspiele war, würde in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiern. Wie kann man Literatur im Museum erzählen? Man kann diese in Vitrinen legen, vor allem, wenn es sich um kostbare Originale oder Erstausgaben oder Schmuckausgaben handelt, aber dann kommt man ja an die Literatur nicht heran. Das Deutsche Romantik-Museum hat für die Ausstellung ein Konzept, das gut funktioniert: Hofmannsthals Nachlass wird in 14 Szenen, also 14 Ausstellungsstationen, um das Werk von Hugo von Hofmannsthals verwoben und stellt so seine poetischen Verfahren vor. Große Hofmannsthal-Fans finden hier genügend Stoff, um an mehreren Tagen wiederzukommen. Und eine Führung hilft ganz sicher, um einen Zugang zu finden, vor allem, wenn man nicht sehr vertraut mit dem Autor ist.
Stefanie Blumenbecker war zunächst von der Fülle erschlagen, hat aber durch eine Führung Orientierung gefunden||
"The winner takes it all" - Der eingespielte Abba-Song im Theaterstück "Triage" von Maya Arad Yasur am Staatstheater Kassel bringt das Thema auf den Punkt: Manchmal haben Ärzte nicht genügend Mittel zur Verfügung, um alle Patienten zu behandeln. Die Autorin spielt am Beispiel von Beatmungsgeräten verschiedene Szenarien durch. Soll man den älteren Patienten sterben lassen, damit der jüngere lebt? Was jedoch, wenn der Ältere Familie hat und der Jüngere ledig ist? Nebenbei werden die Liebschaften und Probleme des Krankenhaus-Personals behandelt. In der Mischung geht das für unsere Kritikerin nicht auf.
Für Vera John hat die Mischung aus Ärzte-Soap und Drama in "Triage" am Staatstheater Kassel nicht funktioniert.||
Die neuen Intendantinnen des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden haben am letzten Wochenende ein Premierenfeuerwerk gezündet, mit sieben Premieren in drei Tagen – im Schauspiel stand "Double Serpent" im Programm, eine Uraufführung des US-amerikanischen Autors Sam Max, inszeniert von Ersan Mondtag. Ein sehr beklemmendes modernes Schauermärchen, wunderbar bizarr, auch alles etwas überfrachtet - letztlich geht es wohl darum, einen Glückssuchenden in einer unglücklichen Welt zu zeigen - und die Hauptfigur Connor kommt einem im Laufe des Abends sehr nahe. Eine beeindruckende Inszenierung, starker Aufschlag.
Esther Boldt hat im Schauspiel des Staatstheaters Wiesbaden einen eher düsteren Auftakt gesehen.||
Das Zollamt MMK ist ein eigenständiger Ausstellungsraum gegenüber des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt. Ein Ort, an dem sich seit Jahrzehnten der viel versprechende künstlerische Nachwuchs präsentiert. Die neue Ausstellung mit dem Titel „Corner Dry Lungs“ zeigt Werke der jungen deutsch-ghanaischen Künstlerin Akosua Viktoria Adu-Sanyah. Zu sehen ist viel schwarz, an den Wänden und Backsteinsäulen des großen Raums lehnen riesige, schwarz bemalte Platten.
Tanja Küchle preist die vielschichtige Arbeit von Akosua Viktoria Adu-Sanyah im MMK Zollamt||
Am Samstag war die erste Musiktheater-Premiere am Staatstheater Wiesbaden und gleichzeitig das Antrittsfest der beiden neuen Intendantinnen Dorothea Hartmann und Beate Heine. Ligetis "Le Grand Macabre" verhandelt den drohenden Weltuntergang - ist das eine glückliche Wahl für den optimistischen Neuanfang? Aber dieser Weltuntergang findet ja gar nicht statt, Fehlalarm, und das zügellose Leben in Breughelland kann einfach weitergehen. Genau also kein schlechtes Zeichen. Für den gelungen Auftakt sei stellvertretend Dirigent Leo McFall genannt, sehr souverän leitet er Orchester und Chor (ohne Blickkontakt!) sicher durch die vertrackte Partitur. Toll anzusehen, großartig umgesetzt, sehr intensiv, sehr laut, sehr unmittelbar, ein grell inszeniertes Spektakel mit Sängerinnen und Sängern auf der Höhe ihrer Kunst.
Imke Turner hat in Wiesbaden die Weltuntergangsstimmung live erlebt, auch einen lauten Rettungseinsatz vor dem Staatstheater||
Die Ausstellung "Eclectic Affinities – Hamid Zénati und die Sammlung des Museum Angewandte Kunst" ist für unsere Kritikerin eine echte Entdeckung eines spannenden Künstlers, der 2022 verstorben ist und der jetzt erst entdeckt und gezeigt wird. Hamid Zénati hatte einen enormen Schaffensdrang, hat vor allem auf Textilien gemalt, auf Vasen, Stühlen und anderen Objekten. Und wer hineintritt in diesen großen farbenprächtigen Reigen an tanzenden Formen und Mustern, auf Objekten und v.a. Stoffen, die auch quer durch den Raum gespannt sind, spürt sofort eine Lebendigkeit, einen großen Optimismus, Lebensbejahung: Man wird beschwingt.
Tanja Küchle ist im Museum Angewandte Kunst Frankfurt zur Detektivin geworden||
Im Film "Die Kinder aus Korntal" geht es um Missbrauch innerhalb der evangelischen Kirche der schlimmsten und übelsten Art, ein Film darüber, was Menschen den Schwächsten, den Kindern, antun - unter dem Schutz der Kirche und unter den Augen eines ganzen Ortes. Überlebende sprechen jetzt, ein halbes Leben später, und das ist wichtig und einfach verstörend. Triggerwarnung! Schilderung von Gewalt.
Daniella Baumeister war nach "Die Kinder aus Korntal" froh, auch einen Film über die Weinbauern des Rioja sehen zu können||
Man könnte denken, da gäbe es eine geheime Absprache: Die hessischen Musiktheaterbühnen starten nämlich durchweg mit modernen oder zumindest moderneren Werken in die neue Spielzeit. Der Besuch der Staatsoper in Kassel lohnt sich allein schon des detailverliebten, naturalistischen Bühnenbilds wegen, das Anton von Bredow für Leoš Janáčeks "Katja Kabanowa" entworfen hat. Die dramatische Literaturoper aus dem Jahr 1921 kommt in Nordhessen delikat und geschmackvoll musiziert auf die Bühne, und vor allem die Sängerinnen der drei weiblichen Hauptpartien nehmen das Publikum für sich ein. Am Ende große Zustimmung seitens des Publikums, auch wenn die Regie stellenweise noch etwas mutiger hätte sein können.
Stephan Hübner genoss in Kassel die Musik aus den 1920ern und wünscht sich etwas mehr Pfiff||
Mit über 250 Veranstaltungen lädt die Alte Oper Frankfurt bis Samstag Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein - in alle bespielbaren Säle des Konzerthauses von nachmittags bis Mitternacht. Und das alles zum Nulltarif fürs Publikum. Das sitzt und liegt wirklich mittendrin und drumherum - alle frontalen Bühne sind aufgelöst. Bravo für dieses Großereignis mit minimaler Schwelle!
Meinolf Bunsmann war überwältigt - und navigierte lieber mit einem Papierfahrplan durch die Alte Oper in Frankfurt||
Bei Hans Werner Henzes Oper handelt es sich um eine gekürzte, etwas umgeschriebene Version des gleichnamigen Dramas von Heinrich von Kleist. Der erzählt darin die Geschichte, wie der Prinz von Homburg in der Schlacht zu Fehrbellin den entscheiden Ritt zum Sieg macht.
Natascha Pflaumbaum empfindet an der Oper Frankfurt die Komposition nicht mehr als Neue Musik||
Die erste Retrospektive der amerikanischen Künstlerin zeigt keine Unbekannte: Bereits 1962 haben in der Landeshauptstadt die Fluxus-Festspiele ihren Ausgang genommen, die eine neue Kunstrichtung begründet habe, Alison Knowles war damals als einzige Frau mit dabei.
Stefanie Blumenbecker hat hier gerne "um die Ecke" mitgedacht||
Der Maler Arie van Selm ist immer noch so etwas wie ein Geheimtipp. Diese Schau sollte man sich nicht nur darum ansehen. Sie bietet zum ersten Mal überhaupt einen Querschnitt durch das Werk des Künstlers, der es meisterhaft verstand mit Farbe, Form und Konzepten in Malerei umzugehen. Ein wahrer Farbenrausch empfängt einen in der Kunsthalle Darmstadt, starke expressive Bilder mit schwungvoller Pinselführung, die gleichzeitig sehr konzeptuell, quasi sehr "gedacht" sind.
Tanja Küchle war in der Kunsthalle Darmstadt überwältigt von Arie van Selms Farben - und von fast nur einem Motiv||
Die Kunstfreunde Bensheim können stolz darauf sein, schon seit 76 Jahren eine hochkarätige Konzertreihe anzubieten. Die Saison im 77. Jahr eröffneten sie wieder mit herausragenden Musikern: dem Signum-Quartett sowie Alexander Lonquich am Klavier. Es wurde ein Abend der Kontraste: Eingerahmt wurde das Programm von eher gefälligen Stücken von Schubert und Dvořák, doch im Zentrum standen ein Klavierquintett von Webern und ein Streichquartett von Janácek. Webern - ein Schüler von Arnold Schönberg - komponierte damals noch tonal, doch spürt man allenthalben, dass er aus der Tonalität ausbrechen will. Ein sperriges Stück, dass man am besten im Live-Vortrag verstehen lernt.
Meinolf Bunsmann war beim Konzertabend der Kunstfreunde Bensheim vor allem begeistert von einem Klavierquintett Anton Weberns.||
Das Fotografie Forum Frankfurt ist in diesem Jahr 40 geworden und zeigt anlässlich dieses Jubiläums eine Reihe von ausgewählten Ausstellungen. Jetzt wurde eine Schau des britischen Fotografen Martin Parr eröffnet – "Early Works". Gleichzeitig zeigt die Leica Galerie spätere Fotografien in Farbe. Skurrile Dokumente von Menschen in Landschaften - zeitlos, mit einzigartiger Ästhetik und zudem oft sehr witzig.
Stefanie Blumenbecker empfindet die Schwarzweißbilder als sehr weit weg und lobt die dokumentarisch-skurrile Sicht||
Wer in der Islamischen Republik Iran nicht mit den Vorgaben der religiösen Führer einverstanden ist, wird gezwungen, zwei parallele Leben zu führen. Farahnaz Sharifi rekonstruiert in ihrem Film "My Stolen Planet", was passiert, wenn Frauen im Iran nach Hause kommen, den Hidschab ablegen, tanzen und singen - was sie alles in der Öffentlichkeit nicht dürfen. Ihr Material sind Fotos und privat gedrehte Filme aus Nachlässen, die im Iran in Läden gehandelt werden. Ein Bild entsteht von einem Land, dass sich massenhaft ins innere Exil geflüchtet hat.
Daniella Baumeister wurde vom Film "My Stolen Planet" daran erinnert, dass Frauen im Iran schon seit einem Vierteljahrhundert gegen die Islamische Republik protestieren.||
Die Mezzosopranistin Bianca Andrew, Mitglied des Ensembles der Oper Frankfurt, hat zusammen mit der Pianistin Anne Larlee einen Liederabend im Frankfurter Opernhaus gegeben, ein sehr besonderer Abend, ein Abend mit Liedern über Frauen - aber nicht die üblichen Lieder der Klassik, in denen Frauen aus männlicher Sicht beschrieben werden. Lieder, die Gefühle von Frauen, das Gefühl von Weiblichkeit selbst, besondere weibliche Erfahrungen in verschiedenen Lebensaltern einer Frau, ausdrücken. Jeder Ton ist eine Umarmung.
Natascha Pflaumbaum war begeistert und würde diesen Abend am liebsten auf CD gepresst hören||
Hecken dienen heute vor allem der Abgrenzung von Privatgrundstücken, zum Beispiel zwischen Gärten. Aber über Jahrhunderte hinweg haben sie auch ganze Grenzgebiete abgesichert, oft in Form einer sogenannten Landwehr. Eine solche gab es im Mittelalter in Frankfurt, sie verlief am Dornbusch, aber auch im Rheingau. Dort haben sich jetzt vier Frankfurter Theatermacher in ihren "Gängen ins Gebück" den Resten des einer Grenzbefestigung gewidmet. Friederike Thielmann, Florian Ackermann, Jakob Bussmann und Jules Buchholtz haben unterschiedliche Landschaften entdeckt und machen sie zu ihren Bühnen. Audio-Installationen und Performances, aber auch ein Picknick, stündlich eine Prozession von Lebewesen, die irgendwo zwischen Mensch und Tier angesiedelt sind. Sehr erfrischend, Theater einmal unter freiem Himmel und bei Tageslicht zu besuchen - und eingebunden in die Landschaft, um das Verhältnis von Mensch und Natur zu reflektieren!
Esther Boldt ist bei den "Gängen ins Gebück" mitgewandert und hat spielerisch viel neues erfahren||
Das "English Theatre" in Frankfurt hat zeitweise Unterschlupf gefunden in der Volksbühne am Hirschgraben. Morgan Lloyd Malcolms "The Wasp" ist ein Zwei-Frauen-Stück: Carla und Heather haben einander seit Schulzeiten nicht mehr gesehen, als sie eine intensive Feindschaft gepflegt haben. Ihr Leben hat sich unterschiedlich entwickelt. Carla lebt unter prekären Umständen, während Heather sich anscheinend keine Sorgen machen muss. Nun sitzen die beiden in einem Café und treiben angestrengt Konversation, bis Heather mit einem sonderbaren Vorschlag herausrückt. Dass der Wespenstich sitzt und schmerzt, hängt in diesem Stück an den beiden hervorragenden Schauspielerinnen und den starken Dialogen. Allerdings empfiehlt es sich, solide Englisch-Kenntnisse mitzubringen, um auch die Anspielungen zu verstehen.
Ulrich Sonnenschein staunt, wie zwei Personen in "The Wasp" im "English Theatre" von Frankfurt einen packenden Thriller zustande bringen.||
"Drown in Dreams", Ertrinken in Träumen, heißt die neue Ausstellung im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden. Es ist eine Einzelausstellung des Künstlers Neven Allgeier, der 1986 in Wiesbaden geboren wurde. Unwirklich, irisierend, zwischen Himmel und Erde schwebend, golden. Das fängt schon auf dem Bürgersteig vor dem Kunstverein an. Da ist ein kleiner Springbrunnen, in dem sich giftgrünes Wasser befindet. Allgeier zieht den Betrachter in eine seltsam surreale Welt, die zwischen Natur und Künstlichkeit changiert, sehr poetisch, erzählerisch und auf eine gewisse Weise auch musikalisch. Die Fotografien wirken auch stark bearbeitet. Farbigkeit und Textur haben etwas unwirkliches. Gleichzeitig ist darin eine Art Wahrhaftigkeit.
Stefanie Blumenbecker gefällt sehr, dass man diese Bilder nicht zu fassen bekommt||
Zwei Gangster tauchen in einer Gruppe Behinderter unter. Das ist die Rahmenhandlung des Films "Was ist schon normal?" aber ziemlich nebensächlich. Verhandelt wird die Frage, die schon der Titel stellt, und zwar nicht moralsauer, sondern einfach nur lustig. Das liegt daran, dass der Regisseur - der Komiker Artus - mit behinderten Darstellern arbeitet, die schlicht ihr Lebensgefühl ausdrücken. Und Artus, der in seinem ersten Film auch selbst mitspielt, weiß genau, was er seinen Darstellern zumuten kann. In Frankreich war "Was ist schon normal?" mit zehn Millionen Zuschauern ein großer Kino-Erfolg; jetzt läuft er in deutschen Kinos an.
Ulrich Sonnenschein glaubt, dass zehn Millionen Zuschauer des Films "Was ist schon normal?" in Frankreich nicht irren können.||
Der Tigerpalast Frankfurt startet in seine 36. Spielzeit und bietet ein Varieté-Feuerwerk vom Feinsten – auch bei 33 Grad Außentemperatur! Die aktuelle Revue bietet in sommerfrischer Atmosphäre beeindruckende Acts: Akrobatik, Luftkunst und Magie der Extraklasse – mit Stars wie Diseuse Alix Dudel und den Anarcho-Zauberern Otto und Christa Wessely. Ein Highlight sind zudem die Papageien von Magier Marko Karvo. Sie drehen sogar Runden durch den Saal – direkt über den Köpfen des staunenden Publikums.
Stephan Hübner ist nicht als Luftikus bekannt, genoss aber hörbar die Nummern ohne Bodenhaftung||
Im Fridericianum in Kassel ist seit dem Wochenende eine neue Ausstellung zu sehen. "Some bright morning"– "Eines schönen Morgens" heißt sie und zeigt über 50 Werke des Künstlers Melvin Edwards. In den USA wird sein Schaffen seit Jahrzehnten in großen Ausstellungen gezeigt. In erster Linie Objekte aus Metall. Geschmiedet und geschweißt. Dazu kommen Installationen aus Stacheldraht. Und gesprühte Bilder auf Papier. Besonders Im Fokus ist seine Serie Lynch Fragments. An der er seit 1963 bis heute arbeitet. Man bekommt ein wunderbares Bild von diesem inzwischen 87 Jahre alten Künstler. Die Werke sind von Rassismus und Gewalt, aber auch Empowerment inspiriert.
Vera John hat im Fridericianum in Kassel ihre "weiße Brille" abgelegt und ihren Blick auf die abstrakten Metallarbeiten erweitert||
Shakespeares gut 400 Jahre alter "Macbeth" gewinnt in unseren Tagen an Aktualität, da ein Putin in Europa wütet. Das neue Leitungsteam am Staatstheater Darmstadt unter Schauspieldirektor Alexander Kohlmann und Regisseur Mizgîn Bilmen hat sich den Stoff wieder vorgenommen. Sie haben den Text stark gekürzt, aber auch bei ihnen ist Lady Macbeth die treibende Kraft, die den zaudernden Gatten zum Königsmord überredet. Das Bühnenbild von Sabine Mäder ist gelungen. Am Ende ist ein Tyrann tot, aber es bleibt die Frage, ob er nicht nur durch den nächsten Tyrannen ersetzt wird.
Ursula May über einen gelungenen "Macbeth" am Staatstheater Darmstadt wie sie ihn so noch nie gesehen hat.||
50 Jahre, das runde Jubiläum feiert die Junge Deutsche Philharmonie. Und sie bleibt ewig jung, denn das maximale Alter der Musikerinnen und Musiker liegt bei 28 Jahren. Aktuell geht es bei "Shifting Futures" vier Tage lang um Mentale Gesundheit und Mode, um Nachhaltigkeit und Demokratie – und natürlich um Musik. In Frankfurt trugen beim Auftakt alle unkonventionelle und genderfluide Kleidung der Modedesignerin Kaja Busch. Gespielt wurde eine Art Hitparade der Musikgeschichte vom Frühbarock bis heute. Die Dramaturgie des Konzerts in der Regie von Christine Arnold wirkte durchweg sehr ernst, ohne ein Lächeln, fast mit steinerner Miene defilierten die Musik-Models, auch wenn ihre Musik durchaus ausgelassener war. Starke Momente waren selten im statischen Ablauf, es fehlte die Prise Ironie oder Humor, aber es gab überraschende musikalische Einfälle, erfrischend im unklimatisierten Saal: Dirigent André de Ridder war an vielen Stellen kreativ - das Orchester war ständig in Bewegung - bei hohen Temperaturen und stickiger Luft eine Leistung, Kompliment!
Meinolf Bunsmann hat im überhitzten Frankfurt Lab eine coole Modenschau mit einem engagierten Orchester gesehen und gehört||
"Dare to design" heißt eine Ausstellung im Museum Angewandte Kunst Frankfurt, in der 40 junge Design-Absolventen ihre Ideen vorstellen. Das können praktische Objekte für den Haushalt sein, um etwa mit dem Kabelsalat aufzuräumen, aber auch Ideen aus dem Industrie-Design. Alle Ausstellungsobjekte verbindet das Thema "Nachhaltigkeit" zum Beispiel in der Wahl der Materialien, die häufig wiederverwendbar sind. Oder der Ärger darüber, warum man eine Waschmaschine wegwerfen muss, nur weil ein winziges elektronisches Bauteil ausgefallen ist.
Stefanie Blumenbecker entdeckte im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt Vorschläge für eine nachhaltigere Gestaltung.||
Vor genau drei Jahren kam ein ungewöhnlicher Dokumentarfilm in die Kinos: "Die Unbeugsamen" portraitierte Frauen wie Rita Süßmuth, Petra Kelly oder Hertha Däubler-Gemlin in der Bonner Republik, die um Teilhabe an der Politik gekämpft und sich einen Platz in der politischen Männerwelt erkämpft haben. Jetzt kommt "Die Unbeugsamen“ Teil Zwei, "Guten Morgen ihr Schönen", es geht um Frauen in der DDR. Der Film konzentriert sich im Gegensatz zum ersten nicht auf die große Politik sondern auf den kleinen Alltag, und das gelingt sehr gut durch die Mischung aus frühen Dokumentationen, Interviews von heute, Filmausschnitten und Songs aus der DDR. Das ist sehr aussagekräftig, braucht keinen Erzähltext, ist sehr persönlich und ist zum Teil einfach auch sehr amüsant.
Daniella Baumeister lobt eine wirklich gelungene und kurzweilige anderthalbstündige Geschichtsstunde||
In dem früheren beliebten Kiosk "Max hat’s" zeigt der Neue Kunstverein Gießen auf rund zehn Quadratmetern regelmäßig wechselnde Ausstellungen. In diesem kleinen hellen, von der Straße aus einsehbaren Raum winkt oder grüßt ein paar Tagen eine kleine graue Torschranke, dekoriert mit einer glitzernden Partygirlande, die Passanten – alle 15 Minuten geht sie hoch, oder wieder nach unten. Die Künstlerin Catharina Szonn befragt mit ihrer ortsspezifischen Installation "Geliebte grüßen zum Abschied" unser Verhältnis zu den Maschinen. Ein wunderbar absurdes kinetisches Objekt, dass auf den zweiten Blick auch eine große Wehmut auslösen kann. Erfunden von uns Menschen, sind es ja gerade die Maschinen, die unsere Bewegungen beschränken und lenken, unsere Tages- oder Arbeitsabläufe gestalten.
Tanja Küchle freut sich über diese Installation im winzigen Neuen Kunstverein Gießen||