In dem Schauspiel "Grimm: Ein deutsches Märchen" am Staatstheater Kassel sitzt die Familie Grimm um einen Tisch herum und erzählt einander Märchen, schlüpft aber auch in Märchenrollen. Die brutale Seite, die manche Grimmschen Märchen an sich haben, wird dabei nicht ausgespart: In der Kasseler Rotkäppchen-Version frisst der Wolf die Oma. In der historischen Wirklichkeit saßen Jacob und Wihelm Grimm in Kassel gleich um die Ecke vom Staatstheater und sammelten ihre Märchen. Die Zuschauer erfahren auch viel über das Zeitgeschehen. Vor gut 200 Jahren war Napoleon mit seiner Armee in den deutschen Ländern eingefallen und die Arbeit am Wörterbuch diente auch der Selbstbehauptung der deutschen Sprache. Nur manchmal rutscht die Inszenierung ins Slapstick-hafte ab, wenn etwa Ludwig Emil Grimm einen Hund gibt. Dem Publikum - das auffallend jung war - hat's gefallen.
Jens Wellhöner erlebte mit "Grimm: Ein deutsches Märchen" einen bildergewaltigen Theaterabend am Staatstheater Kassel||
Das Hessische Landesmuseum Darmstadt stapelt tief, wenn es seine neue Ausstellung schlicht "Grünzeug" nennt. Was sich in der Ausstellung öffnet, ist ein Lustgarten, in dem die Kuratoren ihrer Fantasie freien Lauf gelassen haben. Die Ausstellung beginnt mit Pflanzendarstellungen aus dem Mittelalter, in dem es noch weniger um die Pflanzen an sich ging, sondern um die Tatsache, dass im Paradiesgarten nun einmal Pflanzen wuchsen. Aber auch ein so abstruses Bild wie das Jesuskind auf einem Kohlkopf ist dabei. Später interessieren sich die Künstler aber für die Pflanzen selbst, wenn etwa die Nürnberger Malerin Barbara Regina Dietzsch bereits im 18. Jahrhundert Rüben und andere Wurzelgemüse in leuchtenden Deckfarben malt. Dazwischen sitzen John Lennon und Yoko Ono im Bett und halten Tulpen in die Kamera. Und auch die Wahlplakate der Grünen kommen nicht ohne Blumen aus. Die 125 Werke auf Papier bieten einen wilden Ritt durch die Pflanzendarstellung in der Kunstgeschichte, doch der Ausstellung gelingt es, immer die Balance zu halten.
Für Stefanie Blumenbecker ist "Grünzeug" im Hessischen Landesmuseum Darmstadt gerade die richtige Ausstellung für eine trüben Novembertag.||
Wir sind im Sommer 1981, Cáit ist neun Jahre alt, sie hat drei Schwestern, die Mutter ist schon wieder schwanger, die Familie lebt auf dem Land, ist völlig aus den Fugen und arm und wenn man so mit dem reinen Überleben beschäftigt ist, ist kein Platz mehr für Emotionen und Empathie. Jetzt kommt das nächste Baby und sie soll den Sommer auch noch bei entfernten Verwandten auf einem Bauernhof verbringen, die sie nicht kennt und die sie nicht kennen. Sean und Eibhlin. - Es sind große Bilder und große Stimmungen und es ist vor allem eine sehr intensive Spannung zwischen Traurigkeit, die aus der Vergangenheit kommt, und Freude, die in einer neuen Gegenwart entsteht. Das Ende ist ganz unvorhersehbar, aber sehr stimmig und es gibt Raum für Hoffnung. Kein Happy End, aber sowas gibt’s im Kino ja gern mal, wenn man nicht mehr weiter weiß. Und das würde zu "The quiet girl" so gar nicht passen.
Daniella Baumeister findet erstaunlich, wie sicher Regisseur Com Bairead Zwischentöne trifft||
Es ist ein tolles Quartett, das sich mit einem beeindruckenden Konzert vorgestellt hat – erstaunlich, dass es in Frankfurt schon wieder ein Streichquartett gibt, das solch Können und Format hat. Das Aris Quartett und das Eliot Quartett, bereits früher in Residenz im Holzhausenschlösschen, haben sich international einen Namen gemacht – in diese Reihe wird jetzt auch das Malion Quartett gestellt – zurecht. Der langsame Satz von Anton Webern, das 2. Streichquartett von Felix Mendelssohn Bartholdy, komponiert im Alter von gerade einmal 20 Jahren, dann Beethovens op. 59 Nr. 1 - Wiener Klassik oder doch schon Romantik? Alles in allem ein wirklich anspruchsvolles Programm, das die vier sehr differenziert, kontrast- und farbenreich präsentiert haben, das Spektrum reicht von satten, fast schon stampfenden Akkorden bei Beethoven bis zur flirrenden Leichtigkeit bei Mendelssohn – alles sehr fein ausgearbeitet und homogen im Zusammenspiel. Anspruchsvoll übrigens auch für das Publikum, das dem Malion Quartett konzentriert gefolgt ist – das war auch gefordert, denn die Konzerte sind ohne Pause konzipiert.
Martin Grunenberg empfiehlt den Besuch eines der Konzerte im Frankfurter Holzhausenschlösschen||
Am Sonntag gastierte das NDR-Elbphilharmonie-Orchester unter Alan Gilbert in der Alten Oper Frankfurt. Allein schon das Violinkonzert von Tschaikowsky sowie die 5. Sinfonie von Gustav Mahler erfordern zweieinhalb Stunden Zeit. Für Unermüdliche bot die Alte Oper aber auch noch ein Programm namens "Musik plus Geschichte" an. Um 16 Uhr ging es los im Historischen Museum mit einer Einführung, wie in Frankfurt das Musikleben um 1880 aussah. Danach folgte um 19 Uhr das Konzert in der Alten Oper mit Starsolist Joshua Bell an der Geige. Der heute 55-jährige erzählte, dass er bereits mit knapp 18 Jahren zum ersten Mal auf der Bühne der Alten Oper gestanden habe. Begleitet wurde Bell vom NDR-Elbphilharmonie-Orchester unter Alan Gilbert, der selbst auch Geiger war, von daher das Orchester mit Gespür den Tempowechseln von Bell anpasste. Nach sechs Stunden Musikgeschichte plus Konzert beendete unser Rezensent beglückt und angenehm ermüdet einen mit Kultur vollgestopften Sonntag.
Meinolf Bunsmann genoss den Geiger Joshua Bell mit dem NDR-Elbphilharmonie-Orchester in der Alten Oper Frankfurt||
1957 in Ghana geboren gilt John Akomfrah in Großbritannien als einer der bedeutendsten Video- und Filmschaffenden, auf der Biennale in Venedig darf er 2024 den britischen Pavillon bespielen. Davor ist er Gast in der Kunsthalle Schirn mit der Schau "A Space of Empathy": Was ihn seit Jahrzehnten umtreibt, ist der nicht nur britische Kolonialismus (und was er angerichtet hat) und was die westliche Ausbeutungsmaschine anderen Menschen, der Natur, diesem Planeten antut. Er hält Empathie nicht für ein Modewort, sondern will für dieses verstehende Nachempfinden ein Gefühl vermitteln. Das tut er, indem er dokumentarische Bilder zeigt, die sich selbst kommentieren und ergänzen. Das kann harmonisch sein oder dissonant – so wie Natur romantisch schön sein kann, aber auch wild bewegt, gefährlich, als Vulkanausbruch und Wirbelsturm. Akomfrah zeigt den Gegensatz von friedlicher Natur und brutalem Menschen, in mitunter grausige Videos: Riesenharpunen werden in Wale gejagt - Fischtrawler als Kriegsschiffe gegen intelligente Säugetiere. Man verlässt die Schau reich an Eindrücken, obwohl kein hektischer, schneller Schnitt anstrengt, bewirken die langen intensiven Einstellungen, das man die Bilder eine Weile auf sich wirken lassen kann – in der berechtigten Erwartung, dass sie auf Langzeitwirkung zielen.
Mario Scalla empfiehlt, sich ausführlich Zeit zu nehmen und/oder das Doppelticket zu nutzen||
Die Aktion, die der Film "Miss Holocaust Survivor" dokumentiert, hat viel Kritik auf sich gezogen: In einem Altersheim mit Überlebenden der Judenvernichtung wird ein Schönheitswettbewerb abgehalten. Das sei doch makaber, war die Reaktion vieler Menschen, die davon hörten. Ganz anders die Reaktion der beteiligten vierzehn Frauen, die mit Eifer dabei waren. Sie waren durchweg sehr jung, als sie teilweise mehrere Konzentrationslager durchlitten. Den Schönheitswettbewerb erleben sie als Feier ihres Überlebens - es ist der einzige Schönheitswettbewerb der Welt, bei dem es auf innere statt auf äußere Schönheit ankommt.
Ulrich Sonnenschein erzählt von den starken Frauen im Dokumentarfilm "Miss Holocaust Survivor", die die Judenvernichtung überlebt haben.||
Als "Zeitfenster" zeigt der Bildhauer Stephan Balkenhol im Museum Wiesbaden 45 seiner typischen Holz-Skulpturen - nicht vor weißen Wänden in einem modernen Umfeld, sondern inmitten von mittelalterlicher Kunst, Renaissance-Malerei und Landschaften. Er setzt sie so ein, dass etwas Neues entsteht, eine Spannungssituation zwischen Bildhauerei und Malerei. Ein Wagnis? Schnell hätten die hölzernen Figuren auch abgestellt wirken können, belanglos oder fremd. Stattdessen aber entsteht Magie: Balkenhols Kunstfamilie, die er im Laufe der Jahre geschaffen, ist zu Besuch im Museum. Da steht eine Frau im grünen Mantel vor einem alten Mariengemälde und man entdeckt die Farbe in den Gewändern auf den Bildern dahinter: Die Heiligenfigur erscheint nicht mehr so fremd. Die Skulpturen sind so gestellt, dass sie die Gemälde zu betrachten scheinen, der eigentliche Besucher – also wir alle – scheinen sich in ihnen regelrecht zu spiegeln. Als würden sie uns verdoppeln. Sie verlebendigen die Räume. Man hat Gesellschaft - und entdeckt durch diese Ausstellung die Alten Meister im Museum Wiesbaden ganz neu.
Stefanie Blumenbecker bewundert den Mut der Museumsleitung, dem Bildhauer alle Freiheiten gegeben zu haben||
Ein Klassiker, der Nähe zum Romantikmuseum und Goethehaus verpflichtet: Der Briefroman "Werther" in einer dramatisierten Version, oder wie es heißt: Nach Johann Wolfgang Goethe: Das Schöne an diesem Frühwerk ist, dass es jede Generation es neu für sich entdecken kann: Leiden an der Enge der Gesellschaft, jugendliches Unwohlsein, Liebesschmerz – zeitlose Zutaten für immer neue Aktualisierungen. In Frankfurt kommen Marlene-Sophie Haagen und Sam Michelson in der Regie von Sarah Kortmann lässig wie cool in Schwarzer und Schlabberlook, haben keine klaren Rollenzuweisungen, also sind Lotte und Werther im Heute, unangepasst, vielleicht Aktivisten, politische Einzelgänger. Das überdimensionale Herz beherrscht das Bühnenbild, die zwei Schauspieler öffnen den Raum, spielen mit dem Publikum – eine lebendige, offene Inszenierung, deren hybrider Text viel Goethe-Sound enthält - und den Rat wie von einer Paartherapeutin von heute: "Befreie dich von dieser Liebe, dieser Anhänglichkeit!" Liebeskummer ist also therapierbar - aber die Gesellschaft?
Mario Scalla hat die Premiere auf der Frankfurter Volksbühne als zeitgemäß erlebt||
Eigentlich wollte die Oper Frankfurt György Ligetis "Le grand macabre" 2020 aufführen, aber da machte die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Das Warten hat sich gelohnt. Schon das üppige Bühnenbild bekam einen Sonderapplaus vom Publikum. Inhaltlich geht es um nichts weniger als den Weltuntergang, den der Prophet Nekrotzar verkündet: Ein Komet wird auf der Erde einschlagen und die Menschheit auslöschen. Die lässt daraufhin noch einmal die Sau raus. György Ligeti verlangt den Sängern und dem Orchester fast schon Unmögliches ab, doch sie meistern die Herausforderung. Am Ende fliegt der Komet an der Erde vorbei. "Die Moral von der Geschicht': Fürchtet den Tod nicht, gute Leut' / Irgendwann kommt er, doch nicht heut' / Und wenn er kommt, dann ist's soweit, / Lebt wohl so lang in Heiterkeit."
Meinolf Bunsmann war so begeistert, dass er sich "Le grand macabre" ein zweites Mal anschauen wird.||
Hochgesteckte Haare mit Blumen, farbenfrohe Trachten, unverwandter Blick. Längst ist die mexikanische Malerin Frida Kahlo Teil der Popkultur. Die Opelvillen Rüsselsheim zeigen jetzt eine weniger bekannte Seite der Künstlerin: "Frida Kahlo. Ihre Fotografien". Kahlo ist 1954 gestorben, doch ihr Ehemann Diego Rivera setzte durch, dass das Zimmer, in dem die Künstlerin ihre Fotos aufbewahrte, erst ein gutes halbes Jahrhundert später geöffnet wurde. Viele Fotos stammen von Familienmitgliedern, einige auch von Kahlo selbst, die Tochter eines Fotografen war. Der Zeit gemäß sind die Fotos schwarz-weiß, was natürlich einen anderen Eindruck als ihre farbenfrohen Gemälde hinterlässt. Doch wen die Gemälde Kahlos faszinieren, der erfährt in diesem Schatzkästlein mehr über den familiären Hintergrund ihrer Entstehung.
Tanja Küchle fühlte sich in den Opelvillen Rüsselsheim in einem Schatzkästlein der Fotografie||
"Anatomie eines Falls" von Justine Triet hat bei den Filmfestspielen in Cannes den Hauptpreis errungen; jetzt kommt er in die deutschen Kinos. Das deutsch-französische Schriftsteller-Ehepaar Samuel und Sandra scheint nach außen hin eine harmonische Ehe zu führen. Gemeinsam ziehen sie in den französischen Alpen ihren sehbehinderten Sohn groß. Doch plötzlich liegt Samuel blutüberströmt tot im Schnee und in den folgenden Prozess geht es um die Frage: Unfall, Suizid, Totschlag? "Ich habe ihn nicht getötet", verteidigt sich Sandra. "Darum geht es doch gar nicht", erwidert ihr Anwalt. Mit allen Finessen versuchen die Prozessparteien die Geschworenen auf ihre Seite zu ziehen. Und dann kommt auch noch der Sohn Daniel ins Spiel, der mehr mitbekommen hat, als es anfangs schien. Vor allem aber ist Sandra eine Paraderolle für Sandra Hüller, die hier ihr ganzes Können zur Schau stellt.
Daniella Baumeister vergibt für "Anatomie eines Falls" das maximale Lob: Dies sei der perfekte Film.||
Die Neue Galerie in Kassel zeigt die Sonderausstellung "Fritz Winter - documenta-Künstler der ersten Stunde". Wegen seiner Bildsprache zu Beginn der 50er Jahre gilt er als einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Nachkriegsmalerei, war superprominent auf der ersten documenta ausgestellt und hat quasi im Alleingang dort demonstriert, dass Kunst in Deutschland wieder international auf der Höhe der Zeit ist: Schwarze Balken-Formen schweben vor gelb, grau und blau. Die Bilder sind farbstark, spielerisch, lyrisch. Sie leben von Rhythmus, Tonalität und Klang - ein bisschen wie farbgewordener Jazz. Man sieht immer wieder schwarze dünne Linien und kräftige Formen, die mit farbigen Flächen und Formen ein lebendiges Gleichgewicht finden. Auch wenn diese Malerei nichts konkret Politisches thematisiert, so erscheinen sie doch als intuitive Bildwerdung auf Bedrohung, eine sich schließende Gesellschaft und mächtige dunkle Kräfte. Unglaublich gute Malerei!
Stefanie Blumenbecker empfiehlt das Werk eines Künstlers, der Maßstäbe wie Picasso gesetzt hat||
Eine Premiere verschieben, das macht man nicht ohne weiteres, aber das Warten auf den Bariton Grga Peros hat sich gelohnt: Dieser Rigoletto an der Seite des warm timbrierten Michael Ha (Herzog von Mantua) und der klaren, zerbrechlichen "Gilda" Annika Gerhards ist großartig, kraftvoll, differenziert, ja: ergreifend gesungen! Die Erfolgsoper von Giuseppe Verdi über Moral, Liebe und eine Drei-Klassen-Gesellschaft kommt am Stadttheater Gießen im schlichten Bühnenbild daher, das Philharmonische Orchester unter Andreas Schüller kostet die kammermusikalischen Momente aus, ergänzt manch Düsternis auf der Bühne bis zur Gänsehaut. Die berühmte Arie "Donna e mobile", die am Ende aus dem Off ertönt und schaurige Gewissheit bringt, beendet eine sehenswerte Inszenierung und diesen hörenswerten Abend. Bravi!
Christiane Hillebrandt bewunderte am Stadttheater auch den herrlichen und gut mitspielenden Männerchor ||
Ihr Sohn hat einen Mord begangen - soviel ist unstrittig in "Die Masken des Teufels" von David Mamet am Staatstheater Wiesbaden. Eine Mutter würde trotzdem alles tun, um ihn vor dem Gefängnis zu bewahren. Darf sie wirklich alles, fragt David Mamet, denn die Mutter - wohlhabend und gut vernetzt - scheut vor keinem Mittel zurück. Zwei Polizisten, die schon längst den Glauben an den Rechtsstaat verloren haben, flüchten sich in ein zynisches Lob des Schlagstocks. Und die Mutter fragt sich: Könnte man nicht die Geschworenen bestechen? Und was ist mit dem Opfer? Hat sie nicht den Sohn verführt? Und dann ist die auch noch eine Jüdin. Je länger "Die Masken des Teufels" währt, desto monströser werden die Rettungsversuche, die sich die Mutter ausdenkt. David Mamet fragt in seiner Versuchsanordnung, was ein liberales Rechtssystem an Angriffen von prinzipienlosen Menschen aushält.
Mario Scalla bescheinigt dem Text von "Die Masken des Teufels" einige Schwächen, die aber geschickt von der Regie aufgefangen werden.||
Die als "Balladenmärchenminioper" vom Staatstheater Darmstadt angekündigte Oper "Mina oder die Reise zum Meer" ist in jeder Hinsicht mini: Es singt genau ein Bariton (David Pichlmaier); für die Musik sorgt genau eine Flötistin. Die Oper dauert 50 Minuten und überschreitet damit sogar schon die vorgesehene Zeit. Inhaltlich geht es um das stumme Mädchen Mina, das mit seinem schwarzen Schäfchen "Wölkchen" zum Meer zieht. Zu den Abenteuern, die Mina zu bewältigen hat, gehören die Folgen eines Krieges. Empfohlen wird die Oper für Kinder ab fünf Jahren. Dass die Musik atonal ist, störte zumindest die bei der Premiere anwesenden Kinder nicht. Die Musik schien eine eher beruhigende Wirkung auf sie auszuüben. Ob man 50 Minuten lang den klagenden Klang einer Flöte vertragen kann, mag jeder für sich entscheiden.
Natascha Pflaumbaum hat Zweifel, ob "Mina oder die Reise zum Meer" wirklich kindgerecht ist.||
Wer hat sich nicht schon gewünscht, bei einem Film die Regie zu übernehmen? Sei vorsichtig, was du dir wünschst, würde man in England dazu sagen, es könnte wahr werden. Bei der Video-Oper "Kairosis", die im Frankfurter Netzwerk Seilerei gezeigt wurde, durfte das Publikum immer wieder selbst entscheiden, wie es weitergehen sollte. Nur entschied das Publikum schlecht, wie der Schöpfer der Video-Oper Moritz Eggert es wiederholt wissen ließ. So starb die Protagonistin zweimal innerhalb von kurzer Zeit, sodass Eggert mit dem Film von vorne anfing. Gesungen wurde nicht, sodass die Erwartung auf eine Oper enttäuscht wurde. Die besten Musikstücke steckten in Handlungssträngen, gegen die sich das Publikum entschieden hatte, ließ der Komponist das Publikum wissen. Zum Schluss fragte sich nicht nur unser Kritiker, was das Ganze soll.
Bastian Korff liebt Oper, und er liebt Video-Spiele. Beides bekam er nicht.||
Im Nassauischen Kunstverein zeigen fünf an der Hochschule Rhein/Main lehrende Künstler Fotografien, Filme und Zeichnungen. Die Fragestellung: Menschen brauchen andere Menschen, Beziehungen, Partnerschaften, Nachbarn, Netzwerke, Dialoge, Antworten, Reaktionen der Umwelt auf uns, unsere Person, unsere Arbeit oder Gedanken. Wie schaffen wir Resonanz (vgl. Positionen des Soziologen Hartmut Rosa)? Die Werke von Juliane Henrich, Kay Fingerle, Holger Kleine, Ralf Kunze und Theo Steiner haben unsere Kritikerin zum Teil angesprochen und berührt, anderes erschien ihr etwas verkopft, manches zu beliebig. Die Ausstellung ist Teil der Bewerbung der Stadt Frankfurt als Design-Demokratie-Hauptstadt, von daher geht es auch um die Gestaltung von Stadträumen, Häusern, Straßen, Plätzen, Arbeitsplätzen, Schulen usw., die unsere Gesellschaft strukturieren. Gibt es Orte, an denen sich Menschen begegnen können? Wie bewegen wir uns fort, wie bauen wir, wie funktioniert Stadtgesellschaft? Die künstlerischen Beiträge gehen hier sehr frei mit diesen Themen um - es darf gedacht werden!
Für Stefanie Blumenbecker hat sich der Besuch der "Resonanzräume" in Wiesbaden gelohnt||
Wiesbadens Intendant Uwe Eric Laufenberg lässt es in seiner letzten Spielzeit noch mal richtig krachen: Eine Drehbühne mit vielen Treppen für die rund 20 Darsteller, 14 Tänzer plus Statisterie, ein Füllhorn von wunderbar fantasievollen Kostümen (Federn, Pailletten!), ein rund 25-köpfiges Orchester im Graben und noch ein Piano-Trio auf der Bühne - im Musical "Follies" von Stephen Sondheim, dessen Nicht-Handlung eine Regie-Herausforderung ist. Egal, am Ende gibt es langanhaltenden Applaus und viele Bravorufe. Albert Horne überzeugt als agiler Dirigent und tattriger Theaterdirektor Weismann, alle Solo-Rollen sind sehr gut besetzt, Publikumslieblinge waren die umwerfende Andrea Baker als Hattie bzw. Stella; April Haider, elegant und rasant als Carlotta; Jacqueline Macaulay als bissige Phyllis, die für Lacher gesorgt hat, und Pia Douwes, die im berühmten "Losing my mind" den Verstand verliert. Man hätte sich die Songs sehr gut auch auf englisch gesungen vorstellen können, das Deutsch (auch wenn gut übersetzt vom erfahrenen Martin. G. Berger) klingt das irgendwie altbacken. Aber dennoch: Überzeugend!
Meinolf Bunsmann war am Ende vom großem Glamour im Staatstheater hingerissen||
Daniel Kehlmann hat sein neues Buch "Lichtspiel" (Rowohlt Verlag) vorgestellt. Er portraitiert einen der heute weniger bekannten Männer des frühen Films, Regisseur Georg Wilhelm Papst. 1885 in Böhmen geboren, 1967 in Wien gestorben, hat er Stummfilme und Tonfilme gemacht, "Die freudlose Gasse", "Die Büchse der Pandora", hat Brechts/Weills "Dreigroschenoper" verfilmt, etwa 40 Werke, auch in Hollywood. Kehlmanns Roman folgt der Technik, sich Gespräche auszudenken (siehe "Die Vermessung der Welt"): Im Buch redet Papst mit Goebbels, obwohl sie sich nie getroffen haben. Eine Geschichte, wie ein unbestrittenes Talent sich nur kurz frei entfalten kann - und von der Tragik, die Kehlmann in oft humoristische Farben taucht. Papst hat große Filme mit Greta Garbo und Werner Krauß gedreht, ist erst in die Mühlen der US-Geldmaschine, dann der NS-Propaganda geraten, wandelte sich vom wilden sozialkritischen Regisseur der 1920er Jahre zum bloßen Diener der seichten Unterhaltungswirtschaft der jungen deutschen Republik nach 1945. Kein Grund für Kehlmann, über ihm den Stab zu brechen, er moralisiert das alles nicht.
Mario Scalla hat erfahren, was Daniel Kehlmann über den Regisseur herausgefunden hat||
Als sich Ingeborg Bachmann und Max Frisch im Sommer 1958 treffen, verlieben sie sich sofort ineinander und versuchen vier Jahre lang, ihre offene Beziehung zwischen Zürich und Rom am Leben zu erhalten. Sie scheitern krachend – und sind jetzt in einem neuen Kinofilm wieder auferstanden, wiederbelebt von Margarethe von Trotta. Wird zwei Stunden im Kino nur gestritten? Überhaupt nicht, es gibt schöne Liebesszenen, schöne Liebesdialoge, immer wieder Ansätze zu einem beneidenswerten Lebensentwurf, und vielversprechenden Perspektiven, aber es ist halt alles mit vollem Risiko, großer Leidenschaft und egoistischen Empfindlichkeiten, und jeder Funke kann auch wieder ein Feuer – positiv wie negativ – entfachen. Am Ende unternimmt die Bachmann "Eine Reise in die Wüste". So heißt der Film, nicht "Ingeborg und Max". Ein gefühlvolles Werk mit großem Respekt der Altmeisterin des Portraits vor zwei sensiblen und kreativen Menschen.
Daniella Baumeiser will jetzt wieder die Texte der beiden lesen||
Inmitten der Sammlung Alte Meister präsentiert das Städel Museum eine Ausstellung mit Arbeiten des rumänischen Künstlers Victor Man. Er gehört, so sagt das Museum, zu den gefragtesten und gleichzeitig rarsten Malern der Gegenwartskunst. Seine Bilder haben eine ungeheure malerische Qualität und etwas Unfassbares. Die Oberfläche seiner Ölmalereien zeigen einen regelrechten Schmelz, die Farben sind sehr dunkel, viel grün und blau. Immer wieder schimmern Lichter auf. Zwischen den tonigen Partien in tiefen Braun oder Grautönen strahlen Stoffe, Haut oder Blumen auf, als würden sie von innen heraus leuchten. Die Bilder verführen dazu, sie mit den Augen regelrecht abzutasten. Sie sind sinnlich und haben etwas überzeitliches. Der volle Titel der Ausstellung, der Hölderlin zitiert, lautet: "Die Linien des Lebens sind verschieden. Wie Wege sind, und wie Berge grenzen. Was wir sind, kann dort ein Gott ergänzen. Mit Harmonien und mit ewigem Lohn und Frieden." Wow!
Stfanie Blumenbecker empfindet die gewagte Hängung als Bereicherung||
"Tweets from the past" heißt eine neue Ausstellung im Archäologischen Museum Frankfurt - es geht um kleine Nachrichten aus der Vor- und Frühgeschichte Sloweniens, dem Gastland der Buchmesse. Gezeigt werden auch Funde aus dem 5. und 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, also lange Zeit vor der minoischen oder kretischen Kultur. Zu sehen sind Gefäße, Steine mit Inschriften, Mosaike, Schmuck- und Kultgegenstände – also Erwartbares und Überraschendes. Etwa ein Büchlein aus dem 2. Jahrhundert, gefertigt aus Knochen und Elfenbein mit Wachs im Innern, auf das man ritzend Notizen kritzeln konnte - und wieder löschen. Im Mittelpunkt steht der Beweis, dass frühe Menschen durchaus erfindungsreich waren: Ein Urmensch hat in einen Bärenknochen Löcher gebohrt und eine Föte geschaffen. Welche Melodien darauf gespielt wurden, bleibt unserer Phantasie heute überlassen...
Mario Scalla hat quasi das erste Smartphone der Weltgeschichte gesehen||
George Bizets dramatischer Klassiker über die Eifersucht ist ein Dauerbrenner auf den Opernbühnen. In Kassel setzt man im Rahmen des "Antipolis"-Projekts Teile des Publikums auf die Bühne und auf Gerüste neben und über die Akteure, sie schauen den Musikern auf die Noten und den Sängern in die Augen. So schön, so kompliziert: Einerseits die sehr nahe und großartige Interpretationen der Musik, andererseits verwirrt doch arg, dass auf den Video-Wänden die Lippen nicht mit dem Klang synchron sind. So erfrischend neu und gewagt das Bühnen"bild" von Sebastian Hannak ist, so politisch überstrapaziert ist die Interpretation von Regisseur Florian Lutz: Das Schicksal von Carmen findet nicht statt, dafür gibt es jede Menge Ironie und Kapitalismuskritik, Chormädchen klagen als "Letzte Generation" an, Carmen rettet am Ende die Welt. Unserer Kritikerin war das alles zu viel, von den musikalischen Höchstleistungen hat sie nicht viel mitbekommen. Am Ende saß sie da und dachte: "Ok...was mache ich jetzt damit?"
Astrid Gubin konnte die Oper kaum genießen, weil in mehrfacher Hinsicht nicht alles hinhaute||
Die Parabel von "Reineke Fuchs" reicht bis ins Mittelalter zurück, doch erst Goethe hat sie in die bis heute gültige Form als Vers-Epos gebracht. Es geht um den Kampf um die Macht, und wie man dabei seinen Kopf immer wieder aus der Schlinge zieht. Vermutlich plaudert Goethe - immerhin der mächtigste Minister im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach - hier aus dem Nähkästchen. Das Vers-Epos "Reineke Fuchs" wird nun wiederum von der Volksbühne im Großen Hirschgraben, Frankfurt, mit Michael Quast in der Hauptrolle auf die Bühne gebracht. Ein schauriger Schalk, wenn Reineke Fuchs versichert, Vegetarier geworden zu sein, aber der Henne doch wieder einige Küken fehlen! Sehr komisch, aber auch sehr schlau, wie man hier die parabelhafte Einsichten und Unterhaltung verbindet. Trotzdem erst ab 14 Jahren, denn Grausamkeit will verdaut sein!
Mario Scalla empfiehlt "Reineke Fuchs" allen von 14 bis 99||
Er ist einer der, wenn nicht DER wichtigste Künstler der Gegenwart. Jetzt wird er von einem der wichtigsten zeitgenössischen Filmemacher filmisch begleitet. Ist das ein Kinoerlebnis? Wenders beginnt den Film nicht mit ersten Gemälden und Zeichnungen, sondern mit Kiefers Höhepunkt, mit riesigen Skulpturen. Er fährt nach Südfrankreich, wo Kiefer Anfang der 1990er Jahre ein 40 Hektar großes Areal bezogen hat, zeigt die Galeriehäuser, Ateliers,Tunnels und Türme, weiße Kleider, Köpfe aus Steinen oder Glassplittern - irgendwie schwerelos. Plötzlich sind wir in seinem Atelier in einem Vorort von Paris, einer gigantischen Halle voller Kunstwerke. An einer riesigen Leinwand arbeitet Kiefer per Hebebühne mit Farbeimern: Kunst ist harte Arbeit und in der Herstellung nicht immer angenehm...Wenders will mehr assoziativ als linear mit Kiefers Werk umgehen, subjektiv und mit der eindeutigen Wenders-Handschrift - er macht einen Film, aber in erster Linie macht er Kunst. Hat etwa Kiefer mehr Distanz zu seinem Werk als Wenders zu Kiefer?
Daniella Baumeister hat den langen Film genossen, hätte aber auf die ein oder andere Geigenuntermalung verzichten können.||
Dass sich in vielen deutschen Sammlungen Kunstobjekte aus Afrika befinden, die unrechtmäßig erworben wurden, ist seit mehreren Jahren immer wieder Thema. Vor allem die spektakulären „Benin-Bronzen“ werden dabei häufig genannt. Das Weltkulturenmuseum in Frankfurt zeigt jetzt dazu eine Ausstellung und eröffnet Perspektiven: Fünf nigerianische Künstler und Historiker schaffen mit ihren Arbeiten eine Dialogsituation mit alten Stücken. Man sieht die Gegenwart und die Vergangenheit. Das funktioniert erstaunlich gut und zeigt einen wichtigen Aspekt: Den Blick afrikanischer Künstler auf die Kunst des Königreiches Benin. Wie trägt diese zur Identitätsbildung bei? Und wie wird Geschichte bewusster Teil der Gegenwart? Unsere hr2-Kritikerin hat bei ihrem Besuch sehr viel gelernt und hat doch das starke Gefühl, dass sie trotzdem nur an der Oberfläche gekratzt hat.
Stefanie Blumenbecker empfiehlt dringend eine Führung durch das Weltkulturenmuseum in Frankfurt||
Um diesen Mann kommt die Klassikwelt zur Zeit nicht herum: Erst am Sonntag ist Vikingur Ólafsson als "Instrumentalist des Jahres" beim "Opus Klassik" gefeiert worden. Das Publikum in Frankfurt war mindestens ebenso begeistert: Von seinem Spiel, von den Tempowechseln, der Virtuosität, der Hingabe, der Bescheidenheit des Superstars. Am Ende hält er inne, auch fürs Publikum: Erst als sich sein Körper löst, tobt der Applaus los, Bravo-Rufe. Der sympathische Mann verabschiedet sich in seiner schüchternen Art ohne Zugabe - was soll er nach 75 Minuten Goldberg-Variationen noch draufsetzen?! Was Ólafsson macht, ist teilweise unkonventionell - unser Klavier spielender Kritiker hat viele Aha-Momente gehabt, hat neue Strukturen und Melodielinien entdeckt - in einem Varationszyklus, der ihm und uns doch ziemlich vertraut ist, eigentlich...
Meinolf Bunsmann war in der Alten Oper Frankfurt beeindruckt||
"Ich möchte Vergebung, gebt Ihr mir Nachsicht!" Uwe Eric Laufenberg verabschiedet sich in seiner letzten Spielzeit am Staatstheater Wiesbaden mit Shakespeares "Sturm". Der Intendant hatte die Inszenierung sowie die Hauptrolle des Prospero selbst übernommen. In Shakespeares letztem Stück geht es um Macht, um die Verantwortung im Umgang damit sowie ums Abschied-Nehmen. Eine passende Wahl zum Ende eines nicht immer ganz unumstrittenen Intendanten. Das Wiesbadener Publikum dankte es ihm mit Applaus.
Mario Scalla fand die Inszenierung bildgewaltig, hätte sich aber eine Inszenierung mit aktuellen Bezügen gewünscht.||
Das Museum für Kommunikation Frankfurt hat sich eine besondere Form menschlicher Kommunikation vorgenommen: den Streit. Nicht jeder ist so abgeklärt wie Montaigne, der sagte: "Wenn man mir widerspricht, weckt man meine Aufmerksamkeit, nicht meinen Unwillen." Das Museum fächert das Thema "Streit" in den Feldern Kunst, Liebe, Macht und Geld auf. In Beziehungen sind zum Beispiel das Bett und der Tisch die bevorzugten Orte für einen Streit. Und die Ausstellung gibt auch Ratschläge, wie man sich konstruktiv streiten kann. So sollten Streithähne im Beziehungsstreit das Wörtchen "immer" aus ihren Vorwürfen streichen.
Mario Scalla nimmt sich vor, beim nächsten Streit einige Ratschläge zu berücksichtigen||
Alicia Aumüller (im Bild rechts) und Patrycia Ziółkowska haben gemeinsam den Gertrud-Eysoldt-Ring für ihre herausragende Leistung in "Ödipus Tyrann" in der Regie von Nicolas Stemann am Schauspielhaus Zürich bekommen: Jetzt kamen sie an den Ort der Preisverleihung zurück und zelebrierten diesen Krimi, der auch in der Gegenwart spielen könnte - eine der spannendsten Geschichten in der Theatergeschichte. Es ist in der Tat grandios, den beiden dabei zuzusehen, wie sie sich diesen Stoff aneignen, der ja eigentlich für acht Rollen geschrieben wurde, in dem Chor und Seher und noch eine Reihe mehr an Figuren vorkommen. Ein Fest für das Theater!
Ursula May schließt sich der Begeisterung im Parktheater an||
Eine Mutter lässt ihren Sohn am Bahnsteig stehen, verspricht gleich wiederzukommen - und verschwindet. Das ist die Ausgangslage in Julia Francks Roman "Die Mittagsfrau", der mit dem Deutschen Buchpreis geehrt wurde. Julia Franck hat diese Situation nicht etwa erfunden; sie ist ihrem Vater tatsächlich passiert, und das Buch ist der Versuch zu ergründen, was ihre Großmutter dazu getrieben haben könnte. Die österreichische Regisseurin Barbara Albert hat sich des Stoffs jetzt angenommen und in einen Film überführt. Und noch immer erschüttert die Frage: Was tun, wenn eine Mutter ihr Kind einfach nicht liebt?
Ulrich Sonnenschein lobt die Umsetzung von Julia Francks "Die Mittagsfrau" in einen Film||
Ein Klassiker der Opernbühne und zugleich der Auftakt einer neuen Ära in Frankfurt: Generalmusikdirektor Thomas Guggeis zum ersten Mal in dieser Funktion, motiviert und kreativ, wie man den 30-Jährigen kennt und jetzt schon liebt. Das Bühnenbild spärlich, die Kostüme knallbunt, die Stimmen umwerfend: Frankfurt ist nicht umsonst Opernhaus des Jahres, das Quartett Elena Villalón (Susanna), Adriana González (Gräfin), Danylo Matviienko (ein Graf Almaviva mit viel Witz und großem Männlichkeitsego) und der Bassbariton Kihwan Sim als Figaro bereiteten sängerisch einen großen Abend! Guggeis leitet diese Inszenierung nicht nur vom Pult, sondern auch vom Hammerflügel aus, bindet die Rezitative bruchlos ein, alles mit viel Humor und sehr versiert. Freuen wir uns auf all das, was in dieser Spielzeit noch kommen wird!
Susanne Pütz wurde in der Oper Frankfurt von vielem sehr positiv überrascht||
Molière hat die Hauptfigur in "Der Geizige" eigentlich als Ekelpaket angelegt; er quält Diener und Kinder, versucht seinem Sohn die Frau auszuspannen. Nur zum Geld unterhält er ein erotisches Verhältnis. Peter Schröder gelingt am Schauspiel Frankfurt das Kunststück, diese Figur sogar charmant wirken zu lassen. Dazu kommen ein überzeugendes Bühnenbild und Kostüme voller Überraschungen, denn unter den schwarzen Talaren verstecken sich die buntesten Verkleidungen. Und das märchenhafte Ende, in dem es Goldlametta regnet, versöhnt dann endgültig mit dem Geizhals. Eine vollauf gelungene Inszenierung, die Mateja Koležnik zu verantworten hat.
Ursula May war von der Aufführung von Molières "Der Geizige" am Schauspiel Frankfurt verzaubert.||
Vor dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt steht Vera Röhms mächtige "Licht-Strahl-Eiche", in der Acrylglas einen Durchblick auf die Holzstruktur erlaubt. Die Bildhauerin hat Acrylglas als Material für die Bildhauerei entdeckt. In einem Gespräch im Hessischen Landesmuseum erzählte sie, wie sie auf die Idee kam, Acrylglas mit geborstenem Holz zu kombinieren. Nach einem Sturm war sie von den ungeknickten Bäumen fasziniert; aber es dauerte Jahre, bis sie heraushatte, wie sich Acrylglas, Holz und Stahl dauerhaft kombinieren lassen. Und Röhm erzählte, wie bei ihr der künstlerische Prozess von der Zeichnung bis zur fertigen Skulptur verläuft.
Stefanie Blumenbecker schätzt Vera Röhm als eine der großen Bildhauerinnen unserer Zeit.||
Das Klingspor-Museum in Offenbach widmet sich der Buch- und Schriftkunst. In seiner Ausstellung "Achtung: enthält Leben" zeigt es Tagebücher von Künstlern sowie von Menschen, die ihre Tagebücher nach einem Aufruf eingereicht hatten. Tagebuch-Schreiben als Mittel der Reflektion sei wieder modern, heißt es. Von "Tagebuch schreiben" kann allerdings häufig kaum mehr die Rede sein, wenn man die kleinen Kunstwerke mit Zeichnungen, Fotos und Ausschmückungen sieht. Andere haben den nüchternen Charakter von Notizbüchern. Und dann gibt es da noch die "Bullet Journals" in denen Menschen stichwortartig zum Beispiel ihr tägliches Körpergewicht, die gelaufene Schrittzahl oder die Haushaltsausgaben eintragen. Selbst hier gibt es Einiges zu entdecken, wie den Eintrag "verkatert, obwohl sehr viel Wasser getrunken".
Stefanie Blumenbecker betrachtet Tagebücher als Weg in die künstlerische Betätigung.||
Ob Sie mit ihr gespielt haben oder nicht, man kann ihr derzeit nicht entgehen: Ob im Kino oder in anderen Medien – Barbie ist allgegenwärtig. Auch in der Austellung, die jetzt an historischem Ort zu sehen ist. Wohltuend zurückhaltend präsentiert man die Geschichte der Kunststoffschönheiten, es schreien einen keinen grellen Farben an: Original-Puppen, die mitunter über 60 Jahre auf dem hübschen Buckel haben und mit denen auch gespielt wurde. Sogar die "Bild-Lilli" ist da, die als Comic erfunden wurde und als Ursprungs-Idee für Barbie gilt. Aus Deutschland kommt also der Hype um die ultraschlanke Blonde. Sie zog um die Welt und war auch züchtig gekleidet oder mit Hüftpolstern zu haben. Eine Zeitreise durch die Modepuppen-Geschichte, nicht nur für 6-Jährige.
Bastian Korff wollte im Brüder-Grimm-Haus in Steinau die Puppen gerne anfassen, durfte aber nicht||
Das Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt stellt vor allem Handschriften aus. Da liegt es nahe, einmal die Schrift selbst zum Thema einer kleinen Ausstellung zu machen: "Schreiben mit der Hand in der Zeit der Romantik". Vom 17. Jahrhundert bis zum "Dritten Reich" schrieben die Deutschen vor allem in Kurrentschrift, die heute kaum noch jemand lesen kann. Fremdwörter wurden in der uns geläufigen lateinischen Schrift geschrieben. Das ging soweit, dass Goethe seinen "West-Östlichen Divan" in lateinischer Schrift verfasste, da es ja um ein ausländisches Thema ging, den "Faust" aber in Kurrentschrift.
Rosemarie Tuchelt war von der Vielzahl der Handschriften-Typen in der deutschen Geschichte fasziniert.||
Die Ausstellung "Wer war Fritz Kittel?" im Frankfurter Museum Judengasse erinnert an einen mutigen Menschen. Während des "Dritten Reichs" transportierte die Reichsbahn zu Millionen Juden in die Vernichtungslager und an die Erschießungsorte in Osteuropa. Die Züge wurden von Reichsbahnarbeitern wie Fritz Kittel abgefertigt, der sich jedoch inmitten der Diktatur seine Menschlichkeit bewahrte. Er versteckte die beiden Jüdinnen Hella und Hannelore Zacharias.
Mario Scalla erzählt von der Ausstellung "Wer war Fritz Kittel?" im Frankfurter Museum Judengasse||
Frankfurt und Offenbach im Zeichen des internationalen Theaters: Mehr als 300 Künstlerinnen und Künstler bei 286 Veranstaltungen prägten das Festival, das die Japanerin Chaiki Soma künstlerisch leitete und mit vielen japanischen Produktionen bereicherte. Bei der Frage, "Was ist Theater heute?" sollte das Publikum oft handeln, die Geschichte mitbestimmen - es gab in den Performances nicht immer Schauspieler, es gab Stücke, die auf sehr eigene Art mit Video und Animation umgingen, auch mit der Darstellung des Unerträglichen. Beispiel: Der Mord an drei Frauen in Brasilien: Grenzüberschreitungen von Performerin Carolina Blanchi, die kaum auszuhalten waren, die man nicht so einfach wegstecken kann - und die die Frage übriglassen, ob Theater wirklich so wirklich sein muss.
Ursula May hat sich viele Stücke bis zum Ende angesehen, auch wenn es oft schwerfiel||