Einen riesigen Erfolg feiert diese Oper am Stadttheater: Minutenlanger Applaus und Bravo-Rufe belohnten die vielen Beteiligten und das Regieteam um Regisseur Martin Andersson. Grga Peroš als Scarpia, Michael Ha als Cavaradossi und Tosca Margarita Vilsone sind das perfekte Trio, unserem Zuhörer erschienen ihre Stimme durch die Platzierung des Orchesters auf der Bühne manchmal zu schrill. Das Verlegen der Handlung in eine moderne Dikatur ist keine neue Idee, wird aber packend aktualisiert, spannend dargestellt und gesungen - und ist sicherlich nachvollziebar auch für Menschen, die wenig Kontakt mit der Oper haben. Bestimmt auch etwas für jüngere Zuschauer - toll, was man hier geboten bekommt!
In seinem 4. Abo-Konzert präsentierte das Ensemble Modern in der Alten Oper Frankfurt fünf Werke von Malte Giesen, Joanna Bailie, Natalie Dietterich, Elnaz Seyedi und Christopher Trapani. Corinna Niemeyer hat den Abend dirigiert, der zu den Sternstunden des frühen Konzertjahres 2023 zählen dürfte, weil die Werke inhaltlich, handwerklich, musikalisch begeistern, aber vor allem ganz neue, unerwartete Hörerfahrungen ermöglichen.
Natascha Pflaumbaum benutzte das Programmheft, um hinter die Geheimnisse der Kompositionen zu kommen||
"Lulu" von Alban Berg ist in jeder Hinsicht eine aufwändige Oper - nicht leicht einzuüben, musikalisch schwierig, und sie erfordert viel Personal. Das Staatstheater Darmstadt ist derzeit die einzige Bühne in Deutschland, die diesen Kraftakt wagt. Alban Berg hat die Oper nicht abgeschlossen, das Ende stammt von Friedrich Cerha. Ihm ist es eigentlich zu verdanken, dass wir heutzutage eine komplette "Lulu" sehen und hören können. Cerha ist am im Februar mit 96 verstorben.
Susanne Pütz meint, man solle sich von der Zwölftontechnik der "Lulu" nicht abschrecken lassen||
Man nehme das wirre Märchen über Liebe, Weisheit, Intrige und Macht, nämlich die erfolgreichste Mozart-Oper, zerlege sie, führe sie in verschiedenen Regiefassungen auf - und beteilige das Publikum. Warum nicht: Die betrunkene Königin der Nacht fuchtelt in enger Ledermontur mit einem blutigem Messer herum, das Parkett singt "Ein Mädchen oder Weibchen" mit - und stimmt ab: Bitte jetzt aber die traditionelle Fassung! Das Kasseler Publikum konnte das alles nur in Teilen gut finden, "Buhs" waren unüberhörbar. Unser Kritiker war fasziniert, nicht überzeugt - aber sehr angetan von den sängerischen Leistungen in experimenteller Umgebung.
Robert Kleist konnte, wollte aber nicht mitsingen||
Dürer zog es schon vor 500 Jahren nach Venedig; Goethe fühlte sich in Rom so richtig frei. Doch die Klischees, die das Italienbild der Deutschen prägen, sind erst vor 150 Jahren dank der damals neuen Technik der Fotografie entstanden. In der Ausstellung "Italien vor Augen" präsentiert das Städel die ersten Italien-Fotos. Natürlich sind sie schwarz-weiß, aber von einer erstaunlichen Qualität. Und weil die Belichtungszeiten noch Stunden erforderten, wirken die Landschaften und Städtebilder oft menschenleer.
Stefanie Blumenbecker über die Geburt der Italien-Klischees durch die Fotografie||
Wieviel Zeit geben Sie noch der Menschheit? Margaret Atwood ist da pessimistisch: In ihrem Roman "Oryx and Crake" hat nur noch Snowman - mutmaßlich der letzte Mensch - überlebt. Er ist umgeben von genmanipulierten Wesen, die zwar friedfertig, aber eben keine Menschen mehr sind. In dieser Situation sehnt er sich nach seinem alten Freund Crake und seiner Liebe Oryx. Das Staatstheater Wiesbaden hat Atwoods Roman als Science-Fiction-Oper auf die Bühne gebracht. Keine Angst, die Musik ist durchaus singbar!
Natascha Pflaumbaum sah die Science-Fiction-Oper "Oryx and Crake" in Wiesbaden.||
"Hug of a swan" im Fotografie-Forum Frankfurt (bis 9.4.), die Umarmung des Schwans - ein Wortspiel mit dem Namen der Künstlerin: Nhu Xuan Hua. Das neue Talent der Mode- und Portraitfotografie ist in zwei Welten großgeworden, der elterlichen vietnamesischen und der von Paris. Ihre Bilder zeigt sie in vier thematischen Räumen - gestaltet in intensiven Wand- und Bodenfarben: Gesamtkunstwerke über starke und eigensinnige Frauen mit einer Ikonografie, die man so im Fotografie-Forum noch nie sah, sehr spannend!
Stefanie Blumenbecker war von der Modefotografie im FFF verzaubert||
Dieses Shakespeare-Stück ist oft vertont worden, Benjamin Brittens Fassung aus dem 20. Jahrhundert ist musikalisch anspruchsvoll. In Gießen wagt man das Experiment, die leere Bühne mit bloßem Licht als aufgeladenen Raum für Phantasien aller Art zu gestalten - gelungen! Die Inszenierung toppt das Verwirrspiel - gelungen! Der Kobold Puck singt aus dem Off und wird durch Effekte ersetzt - gelungen! Und es gibt herrliche Stimmen zu entdecken, die einen Besuch wert sind.
Niels Kaiser kam beseelt aus dem Gießener Stadttheater zurück||
Die Kunststiftung der DZ Bank, die auf Fotografie spezialisiert ist, zeigt "Himmel – Die Entdeckung der Weltordnung" in ihren Räumen am Platz der Republik in Frankfurt. Der religiöse, der romantische, der meteorologische oder der astronomische Himmel? Bilder und Installationen zeigen eine sehr breite Vielfalt an Formaten, künstlerischen Strategien und Misch-Techniken. Unsere Besucherin hat vieles gelernt und empfiehlt die Führungen: Der Physikalische Verein ergänzt den Kunst-Blick auf den Himmel.
Stefanie Blumenbecker hat über van Gogh etwas lernen können||
Am Ende sind es immer ganz ähnliche Probleme, Antigones Dilemma lässt sich auch ins Anthropozän übertragen: Dominieren die Gesetze des Menschen und geht es um Fortschritt? Am Ende sind es immer ganz ähnliche Probleme, Antigones Dilemma lässt sich auch ins Anthropozän, das Zeitalters des Menschen und seiner Übermacht, übertragen: Dominieren die Gesetze des Menschen und geht es um Fortschritt und Selbstoptimierung - oder lassen sich mit der "Liga des terrestrischen Widerstands" auch ein Gesetz der Erde und eine Rechtsprechung für den Planeten fordern?
Andreas Wicke ist begeistert von Alexander Eisenachs Klassiker-Adaption||
"La Traviata" von Giuseppe Verdi ist eine der am meisten gespielten Opern der Welt. Regisseur Karsten Wiegand durfte am Staatstheater Darmstadt also davon ausgehen, dass das Publikum weiß, wie die Sache ausgeht. "La Traviata" heißt "Die vom Weg Abgekommene" und Wiegand lässt Violetta häufig am Bühnenrand getrennt vom Hauptgeschehen auftreten. Musik und Stimmen überzeugen; das Boschs "Garten der Lüste" nachempfundene Bühnenbild ist grandios. Und auch das lange Sterben Violettas an Tuberkulose inszeniert Karsten Wiegand überzeugend.
Meinolf Bunsmann über eine rundum gelungene Inszenierung von "La Traviata" am Staatstheater Darmstadt||
Seit 2007 vergibt das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt Preise für herausragende Gebäude, die zukunftsweisend sind. Es geht stark um Nachhaltigkeit: Nicht abreissen und neu bauen, sondern umbauen und weiterbauen! Das Landratsamt von Starnberg ist der Sieger 2023, am See im Grünen gelegen, kammartig gebaut, aufgeteilt in Pavillons, die zusammenhängen. Architekt Fritz Auer hat den Kaiserpalast von Kyoto zum Vorbild genommen: Groß, aber ganz leicht gebaut, offen und mit modernster Technik. Richtungsweisende und anregende Bauten zeigt die Ausstellung, öffentliche und private Bauherren sollten sie sehen und beherzigen.
Gudrun Rothaug war in einer wichtigen Ausstellung im DAM||
In Händels Oper "Orlando" hat der Titelheld die Qual der Wahl: Liebe oder Krieg. In der Inszenierung von Ted Huffman an der Oper Frankfurt nimmt das Stück erst im zweiten Akt an Fahrt auf. Orlando wird von der Mezzosopranistin Zanda Švēde gesungen, die manchmal Mühe hat, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Und damit das Publikum nicht den Faden verliert, leuchtet eine Glühbirne auf, wenn Orlando sich im Liebeswahn verliert.
Meinolf Bunsmann über eine mäßig gelungene Inszenierung von Händels "Orlando" an der Oper Frankfurt||
Das Schauspiel Frankfurt und die Dresden Frankfurt Dance Company zeigen in "10 odd emotions" von Saar Magal Rituale der Demütigung und Unterwerfung: 20 Tanzende verhüllen mit Stoff die Köpfe, beginnen eine Sex-Gewalt-Orgie mit brutalsten Video-Szenen. Das wirkt gespenstisch, unpersönlich, ja verharmlosend: Der Anspruch, Tanztheater gegen "das Böse" zu machen, zerstiebt in einer Art Leni-Riefenstahl-Ästhetik. Applaus für Folter, Vergewaltigung und Hinrichtungen? Merkwürdig, denn ein Ausweg aus den Spiralen fehlt.
Das Märchen von der Meerjungfrau, die aus dem Wasser kommt, wird oft gespielt. Hier singt Olesya Golovneva die Titelpartie (sie führt mit Daniela Kerck gleichzeitig Regie) - und wir erleben DIE Rusalka schlechthin: Die Golovneva singt weich und sinnlich, rührt uns und sich selbst am Ende zu Tränen. Dazu sinnvolle Videos und ein Orchester, das diese komplexe Musik beherrscht - Dvoraks Oper über eine Frau, die ihren Gefühlen nachgeht und in ihrer Ver(w)irrung den Tod bringt, ist eine unbedingte Empfehlung!
Natascha Pflaumbaum fand die oft gespielte Oper phantastisch-schön||
Vito Žuraj hat im Auftrag der Oper Frankfurt "Blühen" nach einer Erzählung von Thomas Mann komponiert. Aurelia verliebt sich in einen jungen Mann, der ihr Sohn sein könnte. Eigentlich glaubte sie sich schon in der Menopause, erlebt aber wieder eine Regelblutung. Was für sie zunächst ein Zeichen des Glücks ist, stellt sich als Zeichen einer unheilbaren Krankheit heraus. Die komplexe Musik wird vom Ensemble Modern gespielt; als Sängerin ragt Bianca Andrew hervor.
Susanne Pütz lobt die komplexe Musik der Oper "Blühen" von Vito Žuraj ||
Sitzfleisch braucht, wer diese Oper durchstehen will. Hervorragende Sänger und ein blendend aufgelegtes Opernorchester machen diesen opulenten Wagner zu einem wirklichen Musikereignis für unseren Mann im Parkett. Die kreativen Kostüme und das aufwändige Bühnenbild sorgen für Augenschmaus-Momente. Regisseur Johannes Erath bringt viel Leben auf die Bühne - dass er auf eine kritische Reaktion auf die nationalistischen Töne des Antisemiten Wagner verzichtet, fällt auf, mindert aber den Genuss nicht. Großartig!
Martin Grunenberg sind die fast sechs Stunden Wagner aber nicht langweilig geworden||
Christa von Schnitzler (1922–2003) gehört zu den großen Bildhauerinnen der zeitgenössischen Kunst, die vor allem mit ihren schlanken, aufrecht stehenden Bronze- und Holzskulpturen bekannt wurde.