Am Donnerstag, 24. Oktober, feiert das Festival das hr-Jazzensemble und mit ihm die Pianistenlegende Bob Degen. Als Special Guest darf sich das Publikum auf die Posaunistin Shannon Barnett freuen. Weiter geht es im hr-Sendesaal mit dem Duo Camille Bertault & David Helbock und ihrem Programm PLAYGROUND. Von Alexander Skrjabin über Thelonious Monk und Egberto Gismonti bis hin zu eigenen Kompositionen zeigen die Sängerin und der Pianist ein beeindruckendes Spektrum. Das dritte Konzert des Abends spielt der Gitarrist Kurt Rosenwinkel mit seinem Quartett. Er reinszeniert sein Album „The Next Step“, mit dem er seinen Ruf als einer der einflussreichsten Gitarristen seiner Generation etablierte.
Donnerstag, 24.10.2024, 19 Uhr hr-Sendesaal
hr-Jazzensemble feat. Bob Degen (special guest: Shannon Barnett)
Ja, es lebt noch, das hr-Jazzensemble- und das Deutsche Jazzfestival Frankfurt feiert es mal wieder. Vor allem aber feiern wir gemeinsam den 80. Geburtstag von Bob Degen. Und das liegt durchaus nahe, denn von 1973 bis 1999 gehörte der zur Stammbesetzung der Band und seine im hr-Archiv dokumentierten über 350 Aufnahmetage wird wohl kein anderer Pianist mehr erreichen.
Es war ein doppelter Glücksfall, als der Amerikaner sich entschied, ins Frankfurter Umland zu ziehen. Da hatte der noch unter 30-Jährige bereits mit Paul Motian, Gary Peacock, Art Farmer, Dexter Gordon und vielen anderen Größen gespielt und sich einen Namen diesseits wie jenseits des großen Teichs gemacht. Arbeitsbedingungen und Publikum in Europa schienen ihm besser und so begann die für alle Beteiligten fruchtbare Zeit Bob Degens in der Frankfurter und deutschen Jazzszene. Die Gruppe Voices, das legendäre Duo mit Heinz Sauer, seine Trios mit Thomas Cremer oder mit Bill Elgart, ein Album mit Zbigniew Namyslowski: Es ist schlichtweg unmöglich, all die Formationen und Kollaborationen aufzuzählen, denen Bob Degens melodisch und harmonisch reiches Spiel seinen Stempel aufprägte. „Seine Musik ist fein und hat trotzdem sehr viel Kraft“, brachte der Schweizer Bassist Isla Eckinger es auf den Punkt. Und von dieser Kraft hat Bob Degen nichts eingebüßt, wie man etwa bei seinem Geburtstag im Januar hören konnte.
Ab den 2000er-Jahren suchte eine jüngere Generation die Nähe des bescheidenen Ausnahmemusikers; der Trompeter Valentin Garvie und der Bassklarinettist Burkard Kunkel seien beispielhaft genannt. Sebastian Sternal, der in jeder Hinsicht ausgezeichnete derzeitige Pianist des hr-Jazzensemble, zeigte sich denn auch gleich begeistert von der Idee, Bob Degen zu feiern, und outete sich als einer seiner Bewunderer. Zwei Flügel stehen also im Mittelpunkt dieses Konzerts und ermöglichen diverse Konstellationen vom kammermusikalischen Duo bis zum vollen Kollektiv.
Der 1992 in Schlüchtern geborene Bassist Bastian Weinig gehört seit 2020 zum hr-Jazzensemble, Christof Lauer seit 1978 und er kann tatsächlich inzwischen mehr Aufnahmetermine verbuchen als Bob Degen. Auch John Schröder war schon in den 80er- und 90er-Jahren an Sessions beteiligt und kommt seit vielen Jahren dafür wieder aus seiner Wahlheimat Berlin an den Main. Anfangs mit der Gitarre, jetzt mit dem Schlagzeug, auf dem er lange den Sound des Trios „Der rote Bereich“ prägte. Der Mann ist halt so was wie ein Universalgenie.
Weil Stefan Lottermann, von Albert Mangelsdorff noch selbst als sein Nachfolger im Jazzensemble eingeführt, verhindert ist, ergab sich die Möglichkeit die großartige Posaunistin Shannon Barnett zu diesem Konzert einzuladen, die sicher ihre ganz eigenen Akzente setzen wird. Das kann nur gut werden.
Christof Lauer Saxofon
Shannon Barnett Posaune
Bob Degen Piano
Sebastian Sternal Piano
Bastian Weinig Bass
John Schröder Schlagzeug
Camille Bertault & David Helbock PLAYGROUND
Ihre gescattete Version von John Coltranes „Giant Steps“, 2016 auf Social Media hochgeladen, wurde für Camille Bertault zum Riesenschritt von der Jazzstudentin zum international gefeierten Star. Die junge Frau, die da so mühelos die rasant durch drei Tonarten mäandernden Saxofonlinien nachsang, war plötzlich in aller Munde und wurde von Fans auf der Straße erkannt. Sony nahm sie unter Vertrag und ließ sie ihr Album „Pas de Géant“ in New York produzieren. Der märchenhafte Erfolg über Nacht hat in Wirklichkeit eine lange Vorgeschichte. Aufgewachsen als Tochter eines Jazzpianisten, beginnt Bertault schon mit drei Jahren mit dem Klavierspielen, studiert das klassische Repertoire, bis sie mit 20 Jahren zu Theater und Tanz wechselt, um dann am Paris Conservatoire zur Musik zurückzukehren. Und obwohl es die Jazz-Community ist, die sie entdeckt und feiert, traut sich Bertault auf „Pas de géant“, all die anderen Einflüsse, die sie inspirieren, zu ihrem Recht kommen zu lassen: Chanson, Música Brasileira und Klassik. „Giant steps“ sei bei aller Bedeutung für ihre Karriere nicht repräsentativ für ihr Schaffen, sagt die selbstbewusste Künstlerin, die nicht nur Jazzsoli mit pointierten Texten in französischer Sprache versieht, sondern auch eigene Songs zwischen Pop und Chanson komponiert und sie in virtuos-verspielten Videos inszeniert.
Auf den österreichischen Pianisten David Helbock traf sie im Rahmen der Ludwigsburger Schlossfestspiele, nachdem dessen Duo-Partner kurzfristig hatte absagen müssen. Über verschiedene Festival-Einladungen entstand so das Repertoire, das zu ihrem 2022 erschienen Album „Playground“ führte. Wer sich an David Helbocks furiosen Auftritt beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2018 mit dem Multiinstrumentalisten-Trio „Random/Control“ erinnert, versteht, dass der Albumtitel sich nicht allein der Verspieltheit und Abenteuerlust von Bertault verdankt. In der Tat haben sich hier zwei gefunden, die keine Herausforderung scheuen und vor allen Dingen jeder Aufgabe auch gewachsen sind. Von Alexander Skrjabin über Thelonious Monk und Egberto Gismonti bis hin zu eigenen Kompositionen zeigen die beiden auf ihrem Duo-Album ein beeindruckendes Spektrum. Als wäre all das nicht schon begeisternd genug, setzt ihm Bertault mit ihrem Temperament und Charisma live weitere Glanzlichter auf.
Camille Bertault Stimme
David Helbock Piano, Loops, Effekte
Kurt Rosenwinkel THE NEXT STEP
Schon mit den ersten Tönen seines Albums „The Next Step“ – Kurt Rosenwinkel rast durch die weit ausgreifenden Arpeggien von „Zhivago“ – wird klar, dass der Albumtitel sich nicht nur auf die eigene Karriere bezieht. Er kann auch als Ansage gelesen werden: Hier beansprucht jemand selbstbewusst neues Terrain für die Gitarre im Jazz und die Geschichte wird ihm schließlich Recht geben. Rosenwinkel hat den Umgang mit dem Instrument, seine Rolle im Ensemble und seine klanglichen Möglichkeiten so stark geprägt, dass sein Einfluss in der heute jungen Gitarristen-Generation nicht zu überhören ist. „Harmonisch reich, rhythmisch frei und unvergleichlich flüssig“, beschreibt die eigene Website ganz richtig den Stil des Ausnahmegitarristen. Neben diesen, den Inhalt seiner Musik betreffenden Aspekten ist es die klangliche und stilistische Breite und Vielfalt, mit der sie sich manifestiert, die Rosenwinkel so faszinierend macht.
Schon während er ab 1992 als Sideman von Gary Burton und in Paul Motians Electric Band erste Bekanntheit erlangt, entwickelt er die Konzepte und das Zusammenspiel, die schließlich 2000 mit „The Next Step“ an die Öffentlichkeit gelangen. Schon vier Jahre früher tritt die gleiche Band im New Yorker Smalls Jazz Club auf. Dessen Besitzer Mitch Borden erinnert sich an das „dramatische Feuer“ mit dem Rosenwinkel, Turner, Street und Ballard damals spielten und ihr Publikum fesselten. Ein wiedergefundener Live-Mitschnitt von 1996 erscheint im Juli auf Rosenwinkels Heartcore-Label. Beim Deutschen Jazzfestival wird man nachprüfen können, inwieweit das Feuer von damals noch brennt. Mark Turner wird dabei allerdings von Ben Wendel vertreten, der damit zum ersten Mal auf dem Festival erscheint. Der 1976 in Vancouver geborene Saxofonist hat sich schon lange in der New Yorker Szene etabliert, wo er regelmäßig mit den großen Namen in Erscheinung tritt. Schön, Ben Wendel bei dieser Gelegenheit live in Frankfurt erleben zu können.
Kurt Rosenwinkel Gitarre
Ben Wendel Saxofon
Ben Street Bass
Jeff Ballard Schlagzeug